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Vorgehensweise bei der Umsetzung von Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit

Der Index für Inklusion ist nicht nur Implementierungshilfe und Instrument zur Selbstevaluation, sondern er ist gleichermaßen auch eine Orientierungshilfe zur Umsetzung von Inklusion in Einrichtungen oder Organisationen. Dabei kann die Vorgehensweise als zirkulärer Prozess verstanden werden, der aus einem Wechselspiel von Umsetzung und (Selbst-)Bewertung besteht. Der Aufbau inklusiver Strukturen und Praktiken sowie die Arbeit an einer inklusiven Kultur stellen also keinen linearen, mechanischen Prozess dar, sondern basieren auf einer Verbindung von sorgfältiger Planung, Durchführung von Aktivitäten und kontinuierlicher Analyse und Reflexion.

Wie die folgende Abbildung 4 zeigt, besteht der zirkuläre Index-Prozess aus fünf Phasen: Phase 1: Mit dem Index beginnen, Phase 2: Die Einrichtungssituation beleuchten, Phase 3: Einen inklusiven Plan entwerfen, Phase 4: Den inklusiven Plan in die Praxis umsetzen, Phase 5: Den Index-Prozess evaluieren. Bevor allerdings der Index-Prozess in die Wege geleitet wird, gilt es eine sorgfältige Planung zu den einzelnen Phasen zu entwerfen. In den einzelnen Phasen sollten dabei verschiedene Aspekte berücksichtigt und umgesetzt werden. Aus Abbildung 5 können einige Vorschläge zur Vorgehensweise in den einzelnen Phasen entnommen werden.

Schaubild des Inklusionsprozesses
Abbildung 4: Phasen im Index-Prozess (Quelle: Booth, Ainscow, Kingston 2006)
Auflistung der Phasen des Indexprozesses
Abbildung 5: Vorgehensweise im Index-Prozess (Quelle: Booth, Ainscow, Kingston 2006)

Der Index-Prozess

Phase 1: Mit dem Index beginnen

  • Ein Index-Team bilden
  • Den Planungsansatz überprüfen
  • Für den Index sensibilisieren
  • Das vorhandene Wissen aktivieren, die Schlüsselkonzepte und den Planungsrahmen nutzen
  • Die Untersuchung mit Hilfe der Indikatoren und Fragen vertiefen
  • Die Zusammenarbeit mit anderen Teams vorbereiten

Phase 2: Die Einrichtungssituation beleuchten

  • Das Wissen und die Ideen der Mitarbeiter*innen, der Leitung, der Trägervertreter*innen und der Fachberatung zusammentragen
  • Das Wissen und die Ideen der Kinder und Jugendlichen sammeln
  • Das Wissen und die Ideen der Eltern und und der Bewohner*innen des Stadtteils herausfinden
  • Prioritäten für die Entwicklung festlegen

Phase 3: Einen inklusiven Plan entwerfen

  • Die Prioritäten mit Hilfe des Planungsrahmens überarbeiten
  • Die Prioritäten in den Entwicklungsplan einfügen

Phase 4: Den inklusiven Plan in die Praxis umsetzen

  • Die Prioritäten in die Tat umsetzen
  • Die Entwicklung am Laufen halten

Phase 5: Den Index-Prozess evaluieren

  • Den Prozess reflektieren und dokumentieren
  • Die Arbeit mit dem Index evaluieren
  • Den Index-Prozess fortsetzen

Dieser idealtypische Prozesse, basierenden auf den Empfehlungen des Index für Inklusion für Kindertagesstätten (Booth, Ainscow, Kingston 2006), soll nun auf das spezielle Handlungsfeld der Kinder- und Jugendarbeit übertragen werden:

Phase 1 besteht demnach vor allem aus vorbereitenden Aktivitäten, die sich auf personelle und organisatorische Fragen beziehen. Hierbei ist es empfehlenswert, ein „Index-Team“ zu bilden, welches die weitere Strategie und Vorgehensweise ausarbeitet. In der Anfangsphase des Teams ist es dabei sehr wichtig, das vor- handene Wissen der Teammitglieder zusammenzutragen und zu bewerten. Eben- so gilt es, die jeweils vorliegenden Haltungen zu reflektieren. Hierbei können die Indikatoren des Indexes (vgl. Kapitel 6) genutzt werden. Als Ergänzung kann es sinnvoll sein, dass das Team im Hinblick auf theoretische sowie praktische Aspekte sensibilisiert und geschult wird. Hier bieten sich Kooperationen mit relevanten Ins- titutionen an. Aber auch Coaching oder Moderation durch externe ExpertInnen ist denkbar. Die erste Aufgabe des Teams besteht darin, die Strukturen, Praktiken sowie die Kultur der Einrichtung/Organisation systematisch zu analysieren. Die Bewertungsindikatoren des Indexes (siehe Kapitel 6) können hierbei zur Selbstanalyse genutzt werden. Die Ergebnisse der Selbstbewertung müden dann in eine Prioritätenliste, in der aufgeschlüsselt ist, welche Aspekte unmittelbar, mittel- oder langfristig angegangen werden müssen.

Phase 2 baut entsprechend auf der ersten Phase auf. In dieser Phase sollten das Wissen und die Haltung anderer relevanter Personen miteinbezogen werden. Dies können Personen aus der Einrichtung/Organisation selbst sein (z.B. Leitung, Mitarbeiter*innen, Nutzer*innen, Eltern, Ehrenamtliche), aber auch externe Akteur*innen sind hierbei hilfreich und sinnvoll (Vertreter*innen der Kommunen, Kommunalpolitiker*innen, Lehrer*innen, Vereinsvertreter*innen, lokale Schlüsselpersonen und Multiplikator*innen, Kooperationspartner*innen usw.). Die gezielte Sammlung des vorhandenen Wissens sowie der vorliegenden Haltungen kann sowohl als Ressource als auch als Impuls für Veränderungs-prozesse genutzt werden. Hierbei kann der Index nun einrichtungsweit und einrichtungsübergreifend eingesetzt werden. Ziel des Einbezugs weiterer Personen ist es, entsprechende Aktivitäten zu planen, Aufgaben und Rollen zu verteilen sowie insbesondere die Idee der Inklusion großflächig zu verbreiten. Vor allem externe AkteurInnen erfüllen hierbei eine Multiplikatorenfunktion, die zur Unterstützung inklusiver Aktivitäten und als Sprachrohr „nach außen“ genutzt werden können. Methodisch bieten sich hierbei gemeinsame Arbeitskreise und Arbeitsgruppen, Veranstaltungen, Foren, Stadtteilrunden oder andere Gremien an.

Die Erkenntnisse aus Phase 2 können dann in Phase 3 in einen inklusiven Plan münden, der die bestehenden Ressourcen, Veränderungsbedarfe sowie die geplanten Aktivitäten und Vorhaben zum Ausgangspunkt der weiteren Strategie macht. Hierbei ist es sinnvoll, Prioritäten zu entwickeln. Phase 3 sollte in einen möglichst konkreten Plan münden, der die weitere Vorgehensweise und Meilensteine beinhaltet. Denkbar sind hierbei ein Plan zur Durchführung konkreter inklusiver Projekte und Angebote, Strategien zum Einbezug weiterer Akteur*innen und zum Aufbau von Kooperationen, Überlegungen zur Sensibilisierung der Wohnbevölkerung und Öffentlichkeitsarbeit sowie zum Aufbau von benötigten Unterstützungsstrukturen.

Phase 4 stellt dann entsprechend die Umsetzungsphase dar, in der die Prioritäten schrittweise oder parallel umgesetzt werden, bevor anschließend in Phase 5 die Aktivitäten und strategischen Prozesse kontinuierlich evaluiert werden. Wichtig ist es dabei, eine geeignete Dokumentation zu entwickeln, mittels der sowohl strategische Fragen (Leitbild, Öffentlichkeitsarbeit, Sozialraumbezug, Kooperationen, Bildungsmaßnahmen) als auch inhaltliche Fragen der Angebotsplanung und -gestaltung (Angebote, Aktivitäten, Sicherung der Unterstützung, usw.) erfasst und bewertet werden können.

Genauere Leitlinien und praktische Handlungsempfehlungen zur gezielten Prozessgestaltung werden in den folgenden Unterkapiteln dargestellt.

7.1 Leitindikatoren für die Prozessgestaltung 7.1.1 Phase 1: Mit dem Index beginnen 7.1.2 Phase 2: Die Einrichtungssituation beleuchten 7.1.3 Phase 3: Einen inklusiven Plan entwerfen 7.1.4 Phase 4: Den inklusiven Plan in die Praxis umsetzen 7.1.5 Phase 5: Den Index-Prozess evaluieren 7.2 Erfahrungen mit der Umsetzung von inklusiven Aktivitäten in der Kinder- und Jugendarbeit – ausgewählte Praxisbeispiele 7.2.1 Der Beginn des Prozesses: Bildung von Inklusionsteams, Auftaktveranstaltungen, Planung der Unterstützung (Phase 1 und 2) 7.2.2 Wichtige Rahmenbedingungen und Voraussetzungen bei der Planung und Gestaltung sowie erste konkrete Aktivitäten (Phase 3 und 4) 7.2.3 Den Prozess nachhaltig unterstützen und evaluieren (Phase 5)
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