Armut bedeutet, dass man wenig Geld hat oder weniger Geld hat als andere Menschen. Wenn man wenig Geld hat, kann man manchmal auch die Miete nicht zahlen oder essen einkaufen. Kinder können auch arm sein. Kinder wachsen in Familien auf. Wenn diese Familien wenig Geld haben, haben auch die Kinder wenig Geld. Dann spricht man von Kinderarmut. Kinderarmut gibt es auf der ganzen Welt. Auch in Deutschland gibt es Kinderarmut. Wenn die Eltern zum Beispiel keine Arbeit haben oder wenn die Eltern wenig Geld für ihre Arbeit bekommen, dann besteht ein hohes Risiko, dass man arm ist. Wenn Kinder arm sind, haben sie weniger Chancen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (Partizipation). Sie werden von anderen Menschen auch oft diskriminiert, weil sie arm sind. Deswegen ist es die Aufgabe Aller, dass es immer weniger Menschen gibt, die arm sind.
Kinderarmut ist ein seit sehr vielen Jahren weltweit bekanntes und anhaltendes Problem. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben weniger Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe, sind von Bildungsungleichheit betroffen und erfahren in vielen Kontexten Ausgrenzung und Herabsetzung. Darüber hinaus ist auch die gesundheitliche Situation von Kindern, die in Armut aufwachsen, im Durchschnitt schlechter als bei Kindern, die nicht von Armut betroffen sind.
Der Begriff der Kinderarmut drückt aus, dass Kinder in Familien aufwachsen, die von Armut betroffen sind. Insofern wird Kinderarmut über die Situation der Eltern bzw. Familien definiert und gemessen. Dabei gibt es unterschiedliche Armutsbegriffe: Die absolute Armut bezeichnet einen Zustand, in dem das objektive Existenzminimum nicht erreicht wird, also die alltäglich notwendige Grundversorgung einer Familie nicht mehr gesichert ist. Demgegenüber bemisst sich die relative Armut immer am durchschnittlichen Lebensstandard einer Bevölkerung. Wird dieser Durchschnitt um ein bestimmtes Maß unterschritten, ist dem Begriff der relativen Armut zufolge davon auszugehen, dass das Wohlergehen einer Familie und deren Teilhabe am sozialen Leben deutlich beeinträchtigt ist. Neben diesen beiden prominenten Armutsbegriffen gibt es noch die politisch definierte Armut, die sich nach dem Bezug von staatlichen Unterstützungsleistungen (z.B. Harzt IV) bemisst, sowie die subjektive Armut, für die zentral ist, wie Menschen ihre eigene Lebenssituation selbst einschätzen.
Zusätzlich zu diesen Armutsbegriffen lassen sich drei unterschiedliche Vorgehensweisen unterscheiden, wie Armut konkret bestimmt und wissenschaftlich untersucht werden kann:
- Der einkommens- bzw. ressourcenbasierte Ansatz befasst sich mit der Frage, ab welcher Einkommensgrenze bzw. ab welcher Ressourcenausstattung eine Familie als arm charakterisiert werden kann. Das wichtigste Konzept dabei ist das sogenannte ‚bedarfsgewichtete Nettoäquivalenzeinkommen‘. Um dieses zu berechnen, wird das Gesamteinkommen eines Familienhaushalts auf alle Familienmitglieder umgerechnet. Der erste Erwachsene wird dabei mit dem Faktor 1,0 eingerechnet, weitere Erwachsene mit dem Faktor 0,5 und Kinder mit dem Faktor 0,3. Das Ergebnis ist ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen, das den Vergleich von unterschiedlich großen Familien erlaubt. In Deutschland beschreibt die Armutsgefährdungsquote den Anteil an Menschen, deren Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60% des mittleren Nettoäquivalenzeinkommen (‚Median‘) beträgt. Im Jahr 2020 wuchsen 20,2 Prozent der Kinder in Familien auf, die dieser Kennziffer zufolge als armutsgefährdet gelten. Andere Berechnungen aus dem einkommens- bzw. ressourcenbasierten Ansatz berücksichtigen zusätzlich, ob Familien SGB II-Leistungen beziehen (politisch definierte Armut). Auch diesen Berechnungen zufolge sind etwa ein Fünftel der Kinder in Deutschland von Armut betroffen.
- Das Lebenslagenkonzept versucht, neben der materiellen Lage von Kindern und Familien (z.B. Einkommen) auch deren kulturelle (z.B. Bildung), soziale (z.B. Freizeitkontakte) und gesundheitliche Lage (z.B. Psychisches Wohlbefinden) in die Betrachtung von Armut miteinzubeziehen. In dieser Perspektive wird zudem versucht, die subjektiven Perspektiven von Kindern zu erheben, die in armutsgefährdeten Familien aufwachsen. Dadurch gelingt es dem Lebenslagenkonzept, die Beziehungen zwischen mangelnden materiellen Ressourcen der Familie und potenziellen Benachteiligungen in anderen Bereichen von kindlichen Lebenswelten aufzuzeigen.
- Die dynamische Armutsforschung nimmt eine längsschnittliche Betrachtung von Kinderarmut über einen mehrjährigen Zeitraum ein. Sie zeigt ergänzend zu den anderen Perspektiven auf, dass sich Armut tendenziell ‚verfestigt‘, dass also Kinder und Jugendliche, die in armutsgefährdeten Familien aufwachsen, auch häufiger selbst im Erwachsenenalter von Armut betroffen sind.
In der aktuellen politisch-gesellschaftlichen Situation haben Erwerbslose, Eltern in befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder im Niedriglohnbereich sowie alleinerziehende Eltern ein besonders hohes Risiko, von Einkommensarmut betroffen zu sein. Wie das Lebenslagenkonzept und die dynamische Armutsforschung zeigen, wirkt sich das Fehlen materieller Ressourcen in einer Familie auf alle Lebensbereiche der Kinder aus und kann bis ins Erwachsenenalter ‚nachwirken‘.
Politische und gesellschaftliche Interventionen gegen Kinderarmut müssen unterschiedliche Ebenen berücksichtigen: Hinsichtlich der materiellen Lage ist es zentral, sowohl gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorzugehen als auch die finanzielle Situation von Familien (z.B. über eine Kindergrundsicherung) strukturell abzusichern. Bezogen auf die kulturelle Lage gilt es zudem, benachteiligte Kinder und Jugendliche in ihren Bildungswegen mit schulergänzenden sozialpädagogischen Angeboten (z.B. Schulsozialarbeit, Mobile Jugendarbeit) zu begleiten. Die soziale Lage von Kindern, die in Armut aufwachsen, kann beispielsweise durch kostenlose Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sowie eine vorausschauende Stadtplanung (gleichmäßig gegebene Attraktivität aller Stadtviertel) verbessert werden. Zu guter Letzt ist die gesundheitliche Lage von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen durch gesundheitsbezogene Angebote und eine Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Gesundheitswesen zu stärken.
Nur ein Vorgehen, das alle diese Ebenen berücksichtigt, kann die Teilhabe von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen am gesellschaftlichen Leben sicherstellen. Auch in Bezug auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist dies von zentraler Relevanz: Nicht nur geht eine Behinderung oftmals mit einer Armutsgefährdung einher, durch die Verschränkung beider Aspekte sind Kinder und Jugendliche mit Behinderung oftmals ‚doppelt‘ diskriminiert und von einer intersektionalen Ausgrenzung betroffen. Daher stellt (Kinder-)Armut ein anhaltendes Problem – insbesondere in einer materiell ‚reichen‘ Gesellschaft – dar und muss auf allen Ebenen (z.B. Politik, Pädagogik, Zivilgesellschaft, Soziale Arbeit) adressiert werden.