Intersektionalität ist ein Begriff, den Kimberlé Crenshaw erfunden hat. Der Begriff meint, dass es verschiedene Formen der Diskriminierung gibt und manche Menschen wegen mehreren Formen diskriminiert werden. So wird eine Frau diskriminiert, weil sie eine Frau ist, eine Schwarze Frau aber wird diskriminiert, weil sie eine andere Hautfarbe hat und eine Frau ist. Eine behinderte, Schwarze Frau wird diskriminiert, weil sie eine Frau ist, eine andere Hautfarbe hat und eine Behinderung hat. Intersektionalität heißt nun, dass das nicht drei unterschiedliche Diskriminierungsformen sind, sondern eine eigene Diskriminierungsform. So hat eine weiße behinderte Frau immer noch mehr oder andere Rechte als eine Schwarze behinderte Frau. Und ein Schwarzer Mann hat andere Rechte als eine weiße Frau. Kimberlé Cranshaw hat den Begriff erfunden, damit man diese verschiedenen Formen der Diskriminierung sehen und bekämpfen kann.
Der Begriff der ‚Intersektionalität‘ geht auf die Juristin, Schwarze Feministin und Aktivistin Kimberlé Crenshaw zurück. Mit der Metapher der Straßenkreuzung (englisch: intersection) veranschaulichte Crenshaw das Problem der Wechselwirkungen von Achsen von Diskriminierungen, die z.B. in theoretischen Analysen, politischen Bewegungen und in der Anti-Diskriminierungsrechtsprechung nicht angemessen berücksichtigt wurden und werden.
Crenshaw untersuchte am Beispiel von Klagen Schwarzer Frauen gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt vor US-Gerichten, wie sie als Schwarze Frauen von einzigartigen Formen von Diskriminierung betroffen waren, die weder Frauen als Gruppe noch Schwarze als Gruppe betrafen und somit von den Gerichten, die Diskriminierung nur eindimensional betrachteten, nicht als Unrecht anerkannt wurden. So stellte ein Automobilhersteller zwar Schwarze Menschen ein, aber dies waren alles Männer für harte körperliche Jobs und er stellte auch Frauen ein, aber diese waren alle weiß. Schwarze Frauen konnten also weder aufgrund rassistischer Diskriminierung klagen, weil ja (männliche) Schwarze eingestellt wurden und nicht aufgrund von Geschlechterdiskriminierung klagen, weil ja (weiße) Frauen eingestellt wurden. Nur wenn man die Überkreuzung der beiden Einstellungspraxen betrachtete, wurde deutlich, dass Schwarze Frauen als Schwarze Frauen benachteiligt wurden. Ihre Diskriminierung bestand also gerade in der Wechselwirkung der beiden Kategorien Hautfarbe und Geschlecht.
Ein anderes Beispiel ist die Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen und staatliche Gewalt gegen Schwarze in der Regel getrennt thematisiert wird. Die Black Lives Matter-Bewegung hat dafür gesorgt, dass die Medien endlich über Polizeigewalt gegenüber Schwarzen Männern berichten. Die Frauenbewegung und die #MeToo-Bewegung haben erreicht, dass die Öffentlichkeit zunehmend für Gewalt gegen Frauen sensibilisiert wird. Dass Schwarze Frauen auch häufig Opfer von Polizeigewalt werden, ist jedoch immer noch wenig Thema.
Um solche Probleme darzustellen, verwendete Crenshaw das Bild der Straßenkreuzung, mit Diskriminierung als Unfall auf einer Straße und dem Anti-Diskriminierungsrecht als Krankenwagen. Eine Straße steht für rassistische Diskriminierung, eine Straße steht für Geschlechterdiskriminierung. Menschen können also Unfallopfer von Rassismus oder Sexismus werden. Schwarze Frauen stehen jedoch genau auf der Kreuzung. Sie können also sowohl Opfer von Sexismus oder Rassismus werden, aber ein Unfall kann auch genau an der Kreuzung stattfinden. In diesem Fall kommt der Krankenwagen, aber fährt unverrichteter Dinge wieder weg, weil er nicht entscheiden kann, ob der Unfall von Rassismus oder Sexismus verursacht wurde. Das Bild macht auch deutlich, dass gerade diejenigen an der Kreuzung, die eine erhöhte Unfallgefahr haben, am wenigsten Schutz durch das Gesetz erhalten.
Die Lösung besteht für Crenshaw darin, die Wechselwirkungen zwischen Diskriminierungsformen mit zu berücksichtigen. Das hat verschiedene Konsequenzen: Erstens wird deutlich, dass z.B. Frauen als Gruppe nicht alle auf dieselbe Art von Sexismus betroffen sind, sondern sich ihre Lagen durchaus unterscheiden: Schwarze Frauen sind anders in der Gesellschaft positioniert als weiße Frauen, Frauen mit Behinderung anders als Frauen ohne Behinderung usw. Man kann also nicht mehr von Frauen im Allgemeinen oder Menschen mit Behinderungen im Allgemeinen sprechen. Zweitens – um bei der Metapher zu bleiben – gibt es genaugenommen gar keine Straße des Rassismus, der Geschlechterdiskriminierung usw., die sich dann erst irgendwann kreuzen. Vielmehr sind diese Achsen der Diskriminierung schon immer miteinander verwoben. Eine muslimische Frau im Rollstuhl ist z.B. nicht mal eine Frau, mal muslimisch und mal mobilitätseingeschränkt, bis sich diese Attribute mal überkreuzen, sondern schon immer alles gleichzeitig. Sie wird als behinderte Frau schon immer anders behandelt als Frauen ohne Behinderung usw. Man muss die Wechselwirkungen also immer mitdenken. Drittens widerspricht Crenshaw der Idee, dass man am meisten Fortschritt in der Bekämpfung von Ungleichheit und Diskriminierung machen würde, wenn man zunächst Rechte für die am meisten Privilegierten in einer Gruppe erwirken würde, weil dann alle davon profitieren würden, also z.B. zunächst für weiße, nicht-behinderte Frauen streiten würde. Diese Art der Politik kommt häufig gerade nur den privilegierten Frauen zugute, wenn z.B. das Problem der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf so gelöst wird, dass man Frauen of Color oder mit Migrationshintergrund für Hausarbeit oder Pflege einstellt, damit weiße deutsche Frauen Karriere machen können. Besser wäre es nach Crenshaw, immer von den am stärksten Benachteiligten auszugehen und Maßnahmen zu entwickeln, die ihre Situation verbessern würden. Dies würde dann allen zugutekommen, wie beispielsweise eine staatliche Versorgung aller Kinder und Pflegebedürftigen, sodass alle Frauen berufstätig werden können, sofern sie dies wünschen.