Bildungsungleichheit

Alle Menschen haben ein Recht auf Bildung. Das bedeutet, dass jeder Mensch die gleichen Möglichkeiten haben soll, eine Schule zu besuchen oder eine Ausbildung zu machen oder zu studieren. Damit können die Menschen später gut bezahlte Arbeit finden. Oft haben Menschen aber nicht die gleichen Möglichkeiten. Dann spricht man von Bildungsungleichheit. Es gibt verschiedene Gründe, warum es Bildungsungleichheit gibt. Wenn Menschen zum Beispiel arm sind. Oder wenn sie aus einem anderen Land nach Deutschland gekommen sind. Oder wenn sie nicht gut deutsch sprechen. Dann haben sie weniger Chancen, eine gute Bildung zu bekommen. Aber auch wenn Menschen eine Behinderung haben oder wenn sie Frauen sind. Dann hat man mehr Probleme, eine gute Bildung zu bekommen. Die Politik und die Gesellschaft versuchen mit Gesetzen, dass die Bildungsungleichheit weniger wird.

Ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung stellt eines in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankertes Grundrecht aller Menschen dar. Demzufolge müssen die Bildungsmöglichkeiten einer Gesellschaft allen in ihr lebenden Menschen gleichermaßen und ohne die Diskriminierung einzelner Personen oder Gruppen offenstehen. Leider ist das in der Realität oftmals nicht der Fall. Hierfür wird der Begriff der ‚Bildungsungleichheit‘ verwendet, um zu beschreiben, dass zwischen dem Bildungserfolg einer Person und ihrer sozialen Herkunft sowie ihren äußeren oder inneren Merkmalen ein systematischer Zusammenhang besteht.

Auf Seiten des Bildungserfolgs können Unterschiede in vier Dimensionen bestehen (Maaz 2021a): Erstens auf der Ebene der Partizipation, also der Teilhabe und Mitwirkung an Bildungsangeboten, zweitens auf der Ebene der Leistungen, also der in einem Bildungsangebot erworbenen Kompetenzen, drittens auf der Ebene der Leistungsbewertung, also der Rückmeldung zu erbrachten Bildungsleistungen (z.B. in Form von Noten), und viertens auf der Ebene der Zertifizierung, also der Bescheinigung von Bildungstiteln (z.B. Abitur, Berufsausbildung, etc.).

Je nachdem, in welchen sozialen Milieus Kinder und Jugendliche aufwachsen und welchen Habitus sie dabei ausbilden, können sie auf allen diesen vier Ebenen von Bildungsungleichheiten betroffen sein. So zeigen beispielsweise Untersuchungen, dass die Lesekompetenz von Schüler*innen zum Ende der vierten Klasse mit der Berufsgruppe der jeweiligen Eltern zusammenhängt und dass Kinder aus Familien mit akademischem Bildungshintergrund (mindestens ein Elternteil hat ein abgeschlossenes Studium) vergleichsweise häufiger das Gymnasium besuchen. Auch das (zugeschriebene) Geschlecht oder ein (angenommener) Migrationshintergrund können mit Bildungsungleichheiten einhergehen. Bei Letzteren ist vor allem der sozioökonomische Status einer Familie ausschlaggebend für den Bildungserfolg der Kinder. So können beispielsweise in der Sozialisation erworbene Geschlechterstereotype bei Pädagog*innen und jungen Menschen dazu führen, dass nach wie vor bestimmte Studiengänge sowie Berufsausbildungen eher von Frauen bzw. Männern ergriffen werden.

Trotz den sowohl in der UN-Behindertenrechtskonvention als auch in nationalen Gesetzen (Bundesteilhabegesetz (BTHG), Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)) verankerten Rechtsansprüchen auf einen gleichberechtigten Zugang zu Bildungsangeboten und den bereits erfolgten Anstrengungen zur inklusiven Umgestaltung schulischer und außerschulischer Bildungsorte werden auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung noch in vielen Bereichen an einer umfassenden Teilhabe an Bildung in allen vier oben genannten Ebenen gehindert. So haben beispielsweise in nur zwei Bundesländern (Bremen und Hamburg) Schüler*innen mit und ohne Behinderung ein uneingeschränktes Recht auf gemeinsame Beschulung. Die Länder unterscheiden sich dabei in der Art und Weise, wie sie den Bildungseinrichtungen Ressourcen zur inklusiven Beschulung aller Kinder und Jugendlichen zur Verfügung stellen.

Aber nicht nur im formellen, sondern auch im informellen und außerschulischen Bildungsbereich ist die Partizipation von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung noch nicht gleichermaßen gewährleistet. Daher sind auch hier weitere Anstrengungen notwendig, die von der punktuellen Anpassung einzelner Angebote und Einrichtungen – z.B. in der Orientierung am Index für Inklusion oder einer Pädagogik der Vielfalt – bis hin zu einer individuellen frühzeitigen Förderung, der Flexibilisierung von Bildungswegen und dem langfristigen und strukturellen Abbau von Bildungsarmut reichen.


Literatur

  • Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (2022): Bildung in Deutschland 2022. Bielefeld: wbv.
  • Krüger, Heinz-Herrmann u.a. (Hrsg.) (2011): Bildungsungleichheit revisited. Bildung und soziale Ungleichheit vom Kindergarten bis zur Hochschule. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Auflage.
  • Maaz, Kai (2021a): Was sind soziale Bildungsungleichheiten?
    Online unter www.bpb.de/…, Stand: 13.08.2022
  • Maaz, Kai (2021b): Soziale Ungleichheiten in den verschiedenen Bildungsbereichen.
    Online unter www.bpb.de/…, Stand: 13.08.2022
  • Maaz, Kai (2021c): Ursachen von Bildungsungleichheiten.
    Online unter www.bpb.de/…, Stand: 13.08.2022
  • Wiezorek, Christine/Pardo-Puhlmann, Margaret (2013): Armut, Bildungsferne, Erziehungsunfähigkeit. In: Dietrich, Fabian/Heinrich, Martin/ Thieme, Nina (Hrsg.): Bildungsgerechtigkeit jenseits von Chancengleichheit. Wiesbaden: Springer VS, S. 197-214.