Transsexuellengesetz und Selbstbestimmungsgesetz

Das Transsexuellengesetz ist ein deutsches Gesetz aus dem Jahr 1981. Es ist dafür da, dass trans* Personen ihren Namen und ihr juristisches Geschlecht ändern können. Dazu brauchen sie bisher aber Gutachten, die bescheinigen, dass sie sich dauerhaft dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Dies nannte man ‚kleine Lösung‘. Es gab auch eine ‚große Lösung‘. Dabei musste man sich z.B. scheiden lassen und musste nachweisen, dass man keine Kinder bekommen kann. Man musste hierbei auch schon den Körper durch Operationen so verändern, dass er wie das ‚neue‘ Geschlecht aussieht. Viele Menschen finden das Gesetz diskriminierend. Auch das höchste Gericht in Deutschland, das Bundesverfassungsgericht, sagt schon lange, dass dieses Gesetz geändert werden muss. Mit einem neuen Gesetz will man es trans* und inter* Personen einfacher machen, ihren Namen und ihr juristisches Geschlecht zu ändern. Das neue Gesetz ist für 2023 geplant.

Das Transsexuellengesetz (TSG) regelt(e) seit 1981, unter welchen Bedingungen eine trans* Person ihren Namen und Personenstand ändern kann, um beides der Geschlechtsidentität bzw. dem gelebten Geschlecht anzugleichen. Anlass war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1978. Das Gesetz stellte zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung einen rechtlichen und gesellschaftlichen Fortschritt dar, weil es erstmals das Recht von ‚Transsexuellen‘ auf Ausweispapiere und Personenstand entsprechend der gefühlten und gelebten Identität verankerte und sich von der vormaligen rechtlichen Auffassung verabschiedete, dass das Geschlecht ‚natürlich‘ und unveränderbar sei. Gleichzeitig jedoch knüpfte das Gesetz die Möglichkeit der Veränderung an teilweise weitreichende Bedingungen.

Das TSG unterschied in zwei Möglichkeiten, die auch als ‚kleine Lösung‘ und ‚große Lösung‘ bezeichnet wurden. Die sogenannte kleine Lösung ermöglichte das Ändern des Vornamens. Hierfür benötigten die Antragstellenden zwei unabhängige Sachverständigengutachten, die u.a. das Vorliegen eines langjährigen Zwangs, in der entsprechenden Geschlechterrolle leben zu müssen, bescheinigten. Eine Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität war somit nicht vorgesehen, jedoch machte der Namenwechsel keine körperlichen Veränderungen zur Pflicht. Die sogenannte große Lösung hingegen ermöglichte den Wechsel des Personenstands von männlich zu weiblich und umgekehrt und war nicht nur an zwei Gutachten, sondern an mehrere, weitreichende Bedingungen geknüpft: Die Antragstellenden mussten nachweisen, dass sie dauerhaft fortpflanzungsunfähig waren, dass sie die äußeren Geschlechtsmerkmale chirurgisch so verändert hatten, dass ihr Erscheinungsbild weitgehend dem anderen Geschlecht angepasst wurde und sie mussten ledig sein, d.h. ggf. bereits bestehende Ehen mussten geschieden werden. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass Männer Kinder gebären und Frauen sie zeugen könnten, wodurch die cisnormative Erwartung an die Übereinstimmung von Geschlechtseintrag und äußerem Erscheinungsbild irritiert werden könnte und wodurch es de facto zu gleichgeschlechtlichen Ehen kommen könnte. Diese Bedingungen führten einerseits dazu, dass einige trans* Personen auf die große Lösung verzichteten (in welchem Umfang ist bisher nicht erforscht worden), andererseits dazu, dass viele trans* Personen sich vor der (unmöglichen) Wahl sahen, zwischen Fruchtbarkeit, Ehe/Familie und der vollständigen, rechtlichen Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität entscheiden zu müssen. Schutz bot hingegen des Offenbarungsgebot des TSG, das es auch staatlichen Stellen verbietet, nach abgeschlossenem Wechsel des Personenstands das ‚alte‘ Geschlecht und den alten Namen (auch ‚dead name‘ genannt) zu verwenden oder gegenüber anderen zu offenbaren.

Das TSG wurde aufgrund der Fremdbestimmung durch die Gutachten und die weitreichenden Eingriffe in das Privatleben immer wieder kritisiert und angefochten. Trans* Personen klagten sich in mehreren Verfahren erfolgreich bis zur Instanz des Bundesverfassungsgerichts durch, das seit 2005 nach und nach diese Bedingungen für verfassungswidrig erklärte – von den Regelungen zur Ehe über die Unfruchtbarkeit und körperlichen Anpassungen. Auch prominente Gutachter*innen sprachen sich schon vor Jahren dafür aus, die fremdbestimmte Begutachtung abzuschaffen. Der Gesetzgeber reagierte jedoch über ein Jahrzehnt lang nicht auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts; kein Gesetz in der Geschichte der Bundesrepublik ist so häufig in Teilen für verfassungswidrig erklärt worden, ohne dass der Gesetzgeber tätig wurde.

Aktuell (Ende 2022) wird nun durch die aktuelle Regierungskoalition die Abschaffung des TSG geplant, das durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden soll, dass es allen Personen, unabhängig ob sie trans* oder inter* sind, einfacher möglich machen soll, Vornamen und Personenstand zu ändern.


Literatur

  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) /Bundesministerium der Justiz (BMJ) (Hrsg.) (2022): Eckpunkte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz zum Selbstbestimmungsgesetz.
    Online unter www.bmfsfj.de/…, Stand: 28.11.2022
  • de Silva, Adrian (2012): Vom Sittenverfall zur Trans*_Homo-Ehe. Ausgewählte juristische Entwicklungen zu Trans* in der Bundesrepublik Deutschland. In: Time, Justin/Franzen, Jannik (Hrsg.): trans*_homo. differenzen, allianzen, widersprüche. differences, alliances, contradictions. Berlin: nono-Verlag, S. 149-154.
  • Zeitschrift für Sexualforschung (Hrsg.) (2013): Debatte zum Reformbedarf des Transsexuellengesetzes (TSG), in: Zeitschrift für Sexualforschung, 26. Jg., H. 2, S. 143-187.