Juristisches Geschlecht meint die rechtliche Festlegung des Geschlechts vor dem Gesetz. Das juristische Geschlecht bestand bis 2018 aus Mann und Frau. Mit dem juristischen Geschlecht wurden Funktionen, Rechte und Pflichten verbunden. Z.B. galt das Wahlrecht bis 1918 nur für Männer, nur Männer mussten Militärdienst leisten und Frauen durften bis 1974 nur arbeiten, wenn der Mann es ihnen erlaubte. Das juristische Geschlecht wurde durch das biologische Geschlecht definiert, also wenn man als Mann geboren wurde, war das juristische Geschlecht auch Mann. Seit 2018 gibt es drei juristische Geschlechter: männlich, weiblich und divers. Inter- oder transgeschlechtliche Menschen können sich als divers anerkennen lassen. Dazu muss man aber medizinische Prüfungen durchlaufen, dass man als divers rechtlich anerkannt wird.
Geschlecht hat in unserer Gesellschaft institutionellen Charakter und stellt auch eine rechtliche und verwaltungstechnische Kategorie dar. Historisch hatte der Geschlechtseintrag u.a. folgende Funktionen: Menschen verbindlich in genau zwei Geschlechter einzuteilen, einen Wechsel von einer Kategorie in die andere zu unterbinden und die beiden Kategorien mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten auszustatten wie z.B. dem Wahlrecht, das bis 1918 Männern vorbehalten war, oder der Wehrpflicht. In Zeiten rechtlicher Gleichstellung ist fragwürdig, welchen Zweck die staatliche Registrierung von Geschlecht erfüllen soll, denn eine Identifizierung von Menschen ist z.B. anhand des Lichtbildes in Ausweispapieren auch ohne Angabe des Geschlechts möglich.
Das juristische Geschlecht nimmt u.a. die Form des Personenstands an. In Deutschland musste bis 2013 in die Geburtsurkunde das Geschlecht aller Neugeborenen als männlich oder weiblich eingetragen werden. Obwohl das Geschlecht im Recht nie eindeutig definiert wurde, dient als Grundlage für diesen Eintrag das Geschlecht, das aufgrund von biologischen Kriterien bei der Geburt zugewiesen wird.
In einer ersten Reform regelte das Transsexuellengesetz (TSG) von 1981, wie trans* Personen ihren Vornamen sowie ihren Personenstand ändern können. Durch die frühere rechtliche Notwendigkeit des zeitnahen Eintrags als männlich oder weiblich nach der Geburt entstand der Druck, auch bei intergeschlechtlichen Neugeborenen ein Geschlecht festzulegen. Die Festlegung des juristischen Geschlechts diente dabei auch als Rechtfertigung für die Vereindeutigung des körperlichen Geschlechts durch Operationen und Hormonbehandlungen im nicht-zustimmungsfähigen Alter, die von Betroffenen als traumatisch erlebt werden.
Seit einer Reform 2013 ist es zulässig, keinen Eintrag vorzunehmen, wenn das Neugeborene nicht eindeutig als männlich oder weiblich klassifiziert werden kann, um diese Dynamik zu vermeiden. 2018 folgte eine weitere rechtliche Reform: die Einführung eines dritten juristischen Geschlechts, genannt „divers“. Sowohl die Änderung des Personenstands im Rahmen des TSG als auch der Eintrag als „divers“ sind nur durch Bestätigung von medizinischen bzw. psychiatrischen/psychologischen Autoritäten möglich. Somit handelt es sich bei der Institution des juristischen Geschlechts bis heute trotz der fortschreitenden rechtlichen Gleichstellung von Männern und Frauen um eine objektivierende und fremdbestimmende gesellschaftliche Praxis. Fremdbestimmend, weil nicht die Geschlechtsidentität als das subjektiv empfundene Zugehörigkeitsgefühl zu einem (oder keinem) Geschlecht maßgeblich ist. Objektivierend, weil die Grundlage für das rechtliche Geschlecht in erster Linie das biologische Geschlecht darstellt, das nach vermeintlich objektiven Kriterien ermittelt wird. Auch im Falle von der rechtlichen Transition bei trans* Personen wird versucht, den Prozess der Bestimmung der Geschlechtsidentität durch die Begutachtung durch Expert*innen zu objektivieren.