Die „Self-Advocacy Bewegung“ sowie „People-First Gruppen“ entstanden in den 1970er Jahren in Kanada und stellen einen Zusammenschluss von Menschen mit Lernschwierigkeiten dar, um gemeinsame Erfahrungen auszutauschen und um ihre Interessen selbst zu vertreten. Es ist somit eine Bewegung, in der Betroffene selbst existierende Dienstleistungsangebote und Lebensbedingungen in Frage stellen und die Kontrolle über ihr Leben erhalten wollen. Ziel dabei ist es, die gemeinsamen Interessen selbst zu vertreten und als Teil der Gesellschaft und gleichberechtigte Bürger*innen behandelt zu werden.
Die anglo-amerikanische Bezeichnung „Self-Advocacy“ kann ins Deutsche mit „für sich selbst sprechen“ übersetzt werden. Nach der Definition von People-First bedeutet „Self-Advocacy“ zudem die Kontrolle und Selbstbestimmung bzw. Selbstvertretung des eigenen Lebens von Menschen mit Lernschwierigkeiten.
Voraussetzung für die Arbeit von Self-Advocacy Gruppen ist das Recht auf Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Trotzdem ist aufgrund der intellektuellen Beeinträchtigung möglicher eingeschränkter Kommunikation etc. eine Selbstbestimmung und „ein für sich selbst sprechen“ bei Personen mit Lernschwierigkeiten häufig nicht zu erwarten. Dies gilt zudem für das Bedürfnis und die Voraussetzungen, sich in Selbsthilfe- oder Selbstvertretungsgruppen zu organisieren, um eigene Interessen besser durchsetzen zu können. Aus diesem Grunde erfolgt in der Praxis häufig der Einsatz von professionellen Helfenden (Advisor), die – und das ist das wesentliche – nicht bevormunden dürfen. Advisor können somit Mitarbeitende der jeweiligen Einrichtung oder Organisation, wie aber auch unabhängige Fachkräfte sein, die der behinderten Person zu einer Kompensation von ungleichen Lebenschancen verhilft.
Während die Zahl der aktiven Mitglieder in den USA derzeit auf über 17.000 Menschen und 743 Self-Advocacy Gruppen geschätzt wird, muss festgestellt werden, dass eine vergleichbare Selbstvertretungsbewegung von Menschen mit Lernbehinderung erst in den Anfängen steckt. Derzeit gibt es in Deutschland ca. 20 dieser Gruppen mit ca. 250 Mitgliedern unter der „People First“ Organisation. Wesentliche Zielsetzungen dieser Stellvertretendengruppen, die sich überwiegend unter dem Dach von Träger*innen wie beispielsweise der Lebenshilfe organisiert haben, sind:
- Selbstbestimmung und Anerkennung
- Gegenseitige Unterstützung
- Bildung und Information
- Selbstständigkeit
- Reisen
- Politische Aktionen
- Öffentlichkeitsarbeit