Gendersternchen

Unsere Sprache dient der Verständigung. Das ist kein wertfreier Vorgang, sondern mit Worten gehen immer auch Bilder, Unterscheidungen und Wertungen einher. Mit Sprache zeigt sich z.B. eine Trennung in männlich und weiblich und damit verbundenen Vorstellungen. So waren Frauen früher weniger wert als Männer und hatten weniger Rechte. Bisher wurde daher für viele Wörter nur die männliche Form benutzt, z.B. ‚Rollstuhlfahrer‘. Das diskriminiert aber Frauen, weil sie dann in der Sprache und damit in der Welt nicht sichtbar sind. Deswegen hat man versucht, beide Geschlechtsformen zu benutzen (z.B. ‚Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer‘). Das schließt aber Menschen aus, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren. Damit diese Menschen auch in der Sprache sichtbar werden, benutzt man z.B. das Gendersternchen (‚Rollstuhlfahrer*innen‘). Das kann aber Probleme für Menschen verursachen, die nicht gut lesen können oder sich Texte vorlesen lassen müssen, weil das Gendersternchen von Leseprogrammen oft nicht verstanden werden kann. Hier gibt es noch keine Regel oder Einigung. Es wird also noch darüber diskutiert, wie man am besten alle Menschen sprachlich berücksichtigen kann.

Sprache ist kein neutrales Mittel zur Kommunikation, sondern Worte und Formulierungen wecken immer auch Bilder und Assoziationen bei den Empfänger*innen. Sprache geht den Individuen voraus, sie werden in eine Kultur mit einer Sprache hineingeboren und sozialisiert, die bestimmte Vorstellungen und Werte vermittelt. Die deutsche Sprache ist z.B. stark zweigeschlechtlich ausgerichtet. Das zeigt sich in Pronomen wie ‚er‘/‘sie‘, aber auch in den Endungen von Substantiven, die das Geschlecht anzeigen, wie ‚Sozialarbeiterin‘ und ‚Sozialarbeiter‘. So vermittelt die Sprache die Idee, es gebe nur zwei Geschlechter: Männer und Frauen und macht trans* und intergeschlechtliche Menschen unsichtbar. Wenn Menschen sprachlich nicht sichtbar gemacht oder ausgeschlossen werden, hat das Folgen, z.B. dass sie sich von einem Angebot einer Einrichtung nicht angesprochen fühlen und diese ggf. nicht aufsuchen. Umgekehrt kann inklusive Sprache Menschen die Botschaft vermitteln, dass sie willkommen sind und ihre Bedürfnisse mitgedacht werden.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Geschlechtervielfalt jenseits von Mann und Frau sprachlich sichtbar zu machen:

  • Den Gender-Gap/Unterstrich, z.B. Klient_innen. Er geht auf Steffen Kitty Herrmann zurück und soll auch im Schriftbild einen Raum für das ‚dazwischen‘ eröffnen.
  • Das Gendersternchen: Es wird in Suchmaschinen eingesetzt, um nach einem Wortstamm mit allen möglichen Endungen zu filtern. In trans* Kontexten wurde es übernommen, um einen möglichst breiten Dachbegriff zu etablieren (über die Begriffe Trans-sexualität, Trans-gender, Trans-identität usw. hinaus). Von dort wurde er auf das Gendern übertragen, z.B. Sozialarbeiter*innen.

Während diese Varianten sich gut eignen, um Geschlechtervielfalt sichtbar zu machen, können sie gleichzeitig Barrieren für Menschen, die Vorlesegeräte benötigen, mit sich bringen. Als vermeintliche Lösung wurde neuerdings der Doppelpunkt vorgeschlagen, da dieser besser lesbar sei (z.B. ‚Sozialarbeiter:innen‘). Das ist jedoch nicht korrekt. Besonders barrierefrei wären eher geschlechterneutrale Formulierungen wie ‚Fachkräfte‘, die ohne Sonderzeichen auskommen. Da aber nicht alle Berufsbezeichnungen usw. geschlechtsneutral umformuliert werden können, empfiehlt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband z.B. eine Mischung aus geschlechtsneutralen Formulierungen und Gendersternchen.

Gute Lesbarkeit ist abgesehen vom Konflikt mit der Barrierefreiheit zwar eine Leser*innen-freundliche Idee, geht jedoch am Sinn des Versuchs eines diskriminierungsarmen Sprachgebrauchs insofern vorbei, als gerade ein Stolpern über oder Hängenbleiben an ungewöhnlichen bzw. ungewohnten Formulierungen und Schriftbildern zum Nachdenken und Reflektieren anregen kann. Eine Diskussion darüber, wie diese positiven Effekte des Genderns und anderer diskriminierungsarmer oder weniger verletzender Sprachregelungen genutzt werden können, ohne z.B. Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen auszuschließen oder ohne neue klassistische Ausgrenzungen durch immer höhere und sich häufig ändernde Anforderungen an korrektes Sprechen zu schaffen, ist hingegen wünschenswert und notwendig. Darüber hinaus beschränkt sich die Frage diskriminierungsarmer Sprache nicht auf das Gendern, sondern es geht insgesamt darum, Begriffe und Formulierungen, die diskriminieren, ausgrenzen, pathologisieren, stigmatisieren (und aufgrund dessen verletzen), zu vermeiden und durch möglichst empowernde, entstigmatisierende Wörter zu ersetzen, z.B. das ‚N-Wort‘ durch den als Selbstbeschreibung aus der Schwarzen Bewegung stammenden Begriff ‚Schwarze Menschen‘ zu ersetzen.


Literatur

  • Arndt, Susan/Hornscheidt, Lann (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast.
  • Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (2021): Gendern.
    Online unter www.dbsv.org/…, Stand: 29.11.2022
  • hornscheidt, lann (2012): feministische w_orte. ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache und diskriminierung, gender studies und feministischer linguistik. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel.
  • s_he (alias Herrmann, Steffen Kitty) (2003): Performing the Gap. Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung. In: Arranca, H. 28.
    Online unter arranca.org/…, Stand: 29.11.2022