Androgyn/Androgynie

In vielen Gesellschaften werden nur zwei Geschlechter anerkannt: Frau und Mann. Frauen sind in dieser Perspektive das Gegenteil von Männern. Diesen geschlechtlichen Unterschied soll man an Aussehen, Verhalten und Interessen erkennen. Eine Frau soll sich demnach wie eine Frau verhalten, kleiden und weibliche Interessen haben und ein Mann soll sich wie ein Mann verhalten, kleiden und männliche Interessen haben. Androgyne Menschen kombinieren ‚männliche‘ und ‚weibliche‘ Kleidungsarten, Aussehen und Verhaltensweisen. Dann werden sie von außen nicht mehr als eindeutig ‚Mann‘ oder als eindeutig ‚Frau‘ verstanden. Z.B. kann eine Frau Lippenstift tragen und einen ‚männlichen‘ Anzug. Oder ein Mann trägt ein ‚weibliches‘ Kleid und einen Bart.

Androgyn ist eine Wortkombination aus den altgriechischen Begriffen für männlich und weiblich und bedeutet somit eine Vereinigung beider Elemente. Während sich das Konzept der Androgynie historisch häufig (entweder in Mythen oder in der Biologie/Medizin) auf Körper bezog, die männliche und weibliche Merkmale in sich vereinen, werden diese heute als intergeschlechtlich bezeichnet. Androgynie hingegen wird vor allem auf die Ebene des Geschlechtsausdrucks bezogen.

Androgyn kann eine Selbstbeschreibung darstellen, wird aber auch häufig als analytischer Begriff verwendet. Eine Person wird in der Regel dann von außen als androgyn wahrgenommen, wenn sie visuell als typisch maskulin oder typisch feminin geltende Merkmale so kombiniert, dass die Geschlechtergrenzen verschwimmen, z.B. eine cis Frau mit Männerhaarschnitt, aber mit Lippenstift und Anzug. Androgynie ist immer wieder als Stilmittel in Kunst und Unterhaltungsindustrie verwendet worden, z.B. im Rahmen der Musikgenres Glamrock und Goth. Darüber hinaus ist Androgynie in queeren Communitys weit verbreitet, sowohl als Ausdruck der eigenen Geschlechtsidentität als auch als spielerische Parodie von Geschlechternormen. Neben Drag ist ein Beispiel die Butch (aus dem Englischen). Die Butch stammt ursprünglich aus der lesbischen Subkultur als Selbstbezeichnung für Frauen, die ein (eher) maskulines Erscheinungsbild und teilweise auch Verhalten an den Tag legen (und traditionell, aber nichts zwangsläufig) mit Femmes, LBQ Frauen mit einem femininen Äußeren, ein Paar bilden (Butch-Femme-Paar).


Literatur

  • Halberstam, Judith (1998): Female Masculinity. Durham/London: Duke University Press.
  • Thilmann, Pia (Hrsg.): Butches – Begehrt und bewundert. Berlin: Querverlag.