Geschlechtsausdruck

Menschen zeigen ihre Geschlechtsidentität nach außen. Man zeigt durch Kleidung, Aussehen, Verhalten usw., als welches Geschlecht man sich fühlt. Das ist dann der Geschlechtsausdruck. In zweigeschlechtlichen Gesellschaften werden bestimmte Verhaltensweisen, Kleidungsarten oder ein bestimmtes Aussehen entweder als männlich oder als weiblich angesehen (z.B. Lippenstift und Kleid bei Frauen, Bart und Anzug bei Männern). Viele Menschen, die ihre Geschlechtsidentität nicht in diesem Entweder-oder haben (z.B. inter, trans* oder nicht-binäre Menschen) oder die diese Zweigeschlechtlichkeit ablehnen, haben dann Probleme, ihre Geschlechtsidentität auszudrücken. Manche haben Angst vor Diskriminierung. Andere kleiden oder verhalten sich absichtlich gegen diese Erwartungen. Sie mischen dann z.B. ‚weibliches‘ Aussehen mit ‚männlichem‘ Verhalten oder ‚männliche‘ Kleidung mit ‚weiblichen‘ Verhalten. Diese Menschen nennt man dann androgyn.

Der Geschlechtsausdruck (englisch auch: „gender expression“) ist die Art und Weise, wie eine Person ihre Geschlechtsidentität nach außen hin darstellt. Dies kann unbewusst, als alltägliche Routine oder auch bewusst und ‚reflektiert‘ erfolgen. Auch kann es sein, dass Individuen sich nach außen anders präsentieren als sie sich innerlich fühlen, z.B. weil sie in einer zweigeschlechtlich ausgelegten Kultur nicht offen als inter, trans* oder nicht-binär leben wollen oder können oder weil sie als cis Personen nicht aus der gesellschaftlichen Norm fallen wollen.

Aus der Sicht der herrschenden zweigeschlechtlichen Norm wird davon ausgegangen, dass Menschen mit einem männlichen oder weiblichen Körper geboren werden, sich daraus eine männliche oder weibliche Geschlechtsidentität entwickelt und dass diese Zugehörigkeit zu einem der beiden Geschlechter durch ein entsprechend maskulines oder feminines Verhalten, äußerliches Auftreten usw. gelebt wird und seinen Ausdruck findet. Was als angemessene Form von Femininität und Maskulinität gilt, ist jedoch nicht einheitlich, sondern u.a. abhängig vom Alter, Klassenstatus und anderen sozialen Faktoren. Wie der ‚doing gender‘-Ansatz herausgearbeitet hat, ist historisch wandelbar, was als typisch männlich und typisch weiblich gilt (z.B. lange oder kurze Haare). Zentral für die Aufrechterhaltung von Zweigeschlechtlichkeit und der Geschlechterhierarchie ist vielmehr, dass Männer und Frauen zu unterscheiden sind bzw. gar als gegensätzliche Pole konstruiert werden. Menschen aller Geschlechter können solche als feminin oder als maskulin codierte Eigenschaften, Verhaltensweisen und äußere Erscheinungsbilder besitzen. Es ist davon auszugehen, dass die meisten oder alle Menschen nicht ausschließlich feminin oder maskulin, sondern in verschiedenen Anteilen eine Mischung darstellen.

Wenn eine Person feminine und maskuline Attribute (gleichermaßen) vereint, spricht man auch von Androgynie. Androgyn kann eine Selbstbeschreibung darstellen, wird aber auch häufig als analytischer Begriff verwendet. Eine Person wird in der Regel dann von außen als androgyn wahrgenommen, wenn sie visuell als typisch maskulin oder typisch feminin geltende Merkmale so kombiniert, dass die Geschlechtergrenzen verschwimmen, z.B. eine cis Frau mit Männerhaarschnitt, aber mit Lippenstift und im Anzug. Androgynie ist immer wieder als Stilmittel in Kunst und Unterhaltungsindustrie verwendet worden, z.B. im Rahmen der Musikgenres Glamrock und Goth. Darüber hinaus ist Androgynie in queeren Communitys weit verbreitet, sowohl als Ausdruck der eigenen Geschlechtsidentität als auch als spielerische Parodie von Geschlechternormen. Neben Drag ist ein Beispiel die Butch (aus dem Englischen, ausgesprochen ‚Butsch‘). Die Butch stammt ursprünglich aus der lesbischen Subkultur als Selbstbezeichnung für Frauen, die ein (eher) maskulines Erscheinungsbild und teilweise auch Verhalten an den Tag legen (und traditionell, aber nichts zwangsläufig) mit Femmes, LBQ Frauen mit einem femininen Äußeren, ein Paar bilden.


Literatur

  • Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Gildemeister, Regine/Wetterer, Angelika (1992): Wie Geschlechter gemacht werden. Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung. In: Knapp, Gudrun-Axeli/Wetterer, Angelika (Hrsg.): Traditionen Brüche. Entwicklungen feministischer Theorie. Freiburg: Kore, S. 201-254.
  • Halberstam, Judith (1998): Female Masculinity. Durham/London: Duke University Press.
  • Thilmann, Pia (Hrsg.): Butches – Begehrt und bewundert. Berlin: Querverlag.