Sonderpädagogik/Behindertenpädagogik

Sonderpädagogik ist eine Wissenschaft. Sie beschäftigt sich damit, wie man Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Behinderungen in der Schule unterstützen kann und dass sie später eine Arbeit finden. Damit will man helfen, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen besser an der Gesellschaft teilhaben. So soll auch möglich sein, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man Menschen mit Behinderungen dabei unterstützen kann. Früher gab es eigene Sonder- oder Förderschulen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Heute gibt es immer weniger solche Schulen. Man will, dass Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen gemeinsam in die Kindertagesstätte und in die Schule gehen und gemeinsam lernen. Das nennt man dann Inklusion

Sonderpädagogik richtet sich an Menschen, bei denen ein sogenannter besonderer Förderbedarf festgestellt wurde. Diese Form der Pädagogik erfolgt meist in Förder- oder allgemeinen Schulen durch entsprechende Lehr- und Fachkräfte. Sonderpädagogik beinhaltet ein großes Spektrum an individuellen Hilfen, Förderangeboten etc., um Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen ein entsprechend hohes Maß an schulischer und beruflicher Eingliederung, gesellschaftliche Teilhabe und eine selbstständige Lebensgestaltung zu ermöglichen.

Die Begrifflichkeit der Sonder- bzw. Behindertenpädagogik tauchte erstmals in den 1960er Jahren innerhalb der Bundesrepublik Deutschland auf. Ausschlaggebend hierfür war vermutlich die begriffliche Nähe zur Institution Sonderschule, da ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von der Heil– sondern von ‚Behinderten- bzw. Sonderpädagogik‘ im schulischen Kontext gesprochen wurde.

Aufgrund der Mannigfaltigkeit von Behinderungen bzw. des Förderbedarfs ist es nicht möglich, von einer einheitlichen Theorie bzw. einem einheitlichen Aufgabenfeld der Behinderten- bzw. Sonderpädagogik zu sprechen. Jedoch können folgende Aufgabenfelder genannt werden:

Sonderpädagogische Diagnostik:

  • Selektion: Festlegung von Symptomen, um die Beeinträchtigung genauer bestimmen zu können
  • Ätiologie: Beschreibung von Ursachen, die für die Beeinträchtigung verantwortlich sind
  • Diagnose: Entwicklung von Verfahren, um das Ausmaß der Beeinträchtigung möglichst objektiv, eindeutig und abstufbar zu erfassen
  • Prognose: Aussagen über den weiteren Entwicklungsverlauf der Beeinträchtigung

Sonderpädagogische Angebote:

  • Verstehen: Die beeinträchtigte Person in ihrem Anderssein zu verstehen und notwendige Hilfen zu entwickeln
  • Erziehung: Maßnahmen zu entwickeln und durchzuführen, um die beeinträchtigte Person in der eigenen Entwicklung zu fördern
  • Betreuung: Aktivitäten, die auf das optimale Wohlbefinden des Betreuten abzielen und dessen Lebensqualität erhält bzw. weiterentwickelt
  • Therapie: Förderung und Optimierung von Funktionsbereichen

Die Ziele der Behinderten- bzw. der Sonderpädagogik sind auf die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens der benachteiligten Personen ausgerichtet. Dies erfolgt unter anderem durch individuelle Hilfen, Förder- und Unterstützungsangebote sowie anhand einer individuellen Förderplanung, die auf den Förderbedarf der einzelnen Person abgestimmt ist. Diese sonderpädagogischen Konzepte basieren auf einigen heilpädagogischen Grundannahmen:

  • Zuerst verstehen, dann erziehen: Hier geht es um den Ansatz der Personenzentrierung. Demnach sollen pädagogische Maßnahmen nicht darauf abzielen, dass der Mensch mit Behinderung möglichst ‚normal‘ gemacht wird, sondern in seinen Besonderheiten und individuellen Fähigkeiten und Bedarfen anerkannt und verstanden wird. Auf dieser Haltung sollten pädagogische Maßnahmen aufbauen.
  • Nicht gegen den Fehler, sondern für das Fehlende: Statt einer defizitorientierten Perspektive, indem der Fokus auf der Beeinträchtigung und ihrer ‚Kompensation‘ liegt, verfolgt dieser Ansatz eine lösungsorientierte Perspektive. Hier geht es darum, den Menschen mit seinen Gegebenheiten zu akzeptieren und den Fokus darauf zu legen, welcher Unterstützungsbedarf vorliegt, damit eine möglichst selbstbestimmte und eigenständige Lebensweise ermöglicht werden kann.
  • Nicht nur das Kind, sondern auch seine Umwelt erziehen: Dieser Ansatz beinhaltet eine systemische Perspektive: So geht man davon aus, dass keine pädagogischen Maßnahmen erfolgsversprechend bzw. wirksam sind, wenn sich die Rahmenbedingungen bzw. das soziale Umfeld (Umwelt) nicht mitverändert.

Im Zuge der zunehmenden Forderung nach Inklusion sollen Kinder und Jugendliche mit speziellem Förderbedarf in Zukunft nicht mehr gesondert beschult und damit von gesellschaftlichen Bildungsprozessen ausgeschlossen werden. Vielmehr sollen in Inklusiven Kindertagesstätten und Schulen Kinder und Jugendliche mit speziellen Förderbedarfen gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen ohne solche besonderen Förderbedarfe beschult werden. Dies soll sowohl Inklusion als auch die frühzeitige gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ermöglichen. Durch die gemeinsame Beschulung erhofft man sich zudem den Abbau von Vorurteilen, Berührungsängsten sowie die gesellschaftliche Sensibilisierung für Beeinträchtigungen (Disability Mainstreaming).

07.12.2024


Literatur

  • Balgo, Rolf u.a. (2012): Sonderpädagogik. Lernen, Verhalten, Sprache, Bewegung und Wahrnehmung. 1. Aufl. München: Oldenburger Wissenschaftsverlag.
  • Bernitzke, Fred (2005): Heil- und Sonderpädagogik. 2. Aufl. Troisdorf: Bildungsverlag EINS.
  • Bildungsserver Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (o.J.): Sonderpädagogische Förderung.
    Online unter bildung.rlp.de/…, Stand: 07.12.2024
  • Laubenstein, Désirée (2008): Sonderpädagogik und Konstruktivismus. Behinderung im Spiegel des Anderen, der Fremdheit, der Macht. Interaktionistischer Konstruktivismus. Bd. 5. Münster: Waxmann.