Polygamie

Polygamie bedeutet übersetzt „Vielehe“. Polygamie bedeutet also, dass man mit mehreren Menschen gleichzeitig verheiratet ist. Weltweit ist Polygamie eher die Norm und verbreiteter als die Monogamie – die sogenannte Einehe. In manchen Ländern ist es gesetzlich geregelt – z.B. in manchen muslimischen Staaten. In anderen Ländern wie Deutschland ist Polygamie gesetzlich verboten. Man unterscheidet dabei Polygynie und Polyandrie. Wenn ein Mann mehr als eine Frau heiraten kann, wird dies Polygynie genannt. Das ist die verbreitetste Form auf der Welt. Wenn eine Frau mehr als einen Mann heiraten kann, wird dies analog als Polyandrie bezeichnet.

In vielen Kulturen weltweit ist die Norm nicht die sogenannte Einehe, also Monogamie, sondern die Mehrfachehe, also Polygamie. Polygamie ist ein ursprünglich aus der Ethnologie stammender Begriff und beschreibt in der Regel Gesellschaften, in denen es institutionell verankert ist, dass ein Geschlecht mehr als eine Person des anderen Geschlechts heiraten kann (aber nicht muss). Teilweise ist dies in modernen Nationalstaaten in der Gesetzgebung verankert, wie z.B. in muslimischen Staaten, teilweise handelt es sich um aus vorkolonialen Traditionen stammendes regional verankertes Gewohnheitsrecht, teilweise ist es eine mittlerweile verbotene Tradition, die im Untergrund weiter praktiziert wird, wie z.B. von manchen Mormon*innen in Utah.

Polygamie nimmt sehr unterschiedliche Formen an. Grundsätzlich wird unterschieden in Polygynie und Polyandrie. Wenn ein Mann mehr als eine Frau heiraten kann, wird dies Polygynie genannt. Polygynie war ist und ist bis heute global gesehen weit verbreitet und ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, insbesondere das Vermögen des Mannes, der in der Regel durch Besitz nachweisen muss, dass er alle seine Ehefrauen sowie den Nachwuchs versorgen kann. Obwohl Polygynie aus der Sicht monogamer Kulturen oft als Zeichen einer besonders patriarchalen Kultur gesehen wird, war traditionell auch in monogamen Kulturen die Ehe der besitzenden Klasse vorbehalten, und Frauen galten als Besitz ihrer Ehemänner. Zudem können polygyne Konstellationen auch gewisse Freiräume für Frauen eröffnen, wenn sie so angelegt sind, dass die Frauen weniger der ständigen Kontrolle des Ehemannes ausgesetzt sind als in einer Einehe.

Wenn eine Frau mehr als einen Mann heiraten kann, wird dies analog als Polyandrie bezeichnet. Polyandrie ist weltweit weniger verbreitet als Polygynie. Monogamie, Polygynie und Polyandrie erfüllen in erster Linie in ihren jeweiligen historischen, kulturellen und geographischen Entstehungs-Kontexten wirtschaftliche und gesellschaftlich-organisatorische Funktionen und regel(t)en Fragen von Reproduktion und Erbfolge. So kann Polyandrie in kargen Regionen dafür sorgen, dass die Bevölkerung nicht zu stark wächst. Dass Ehen (und Beziehungen) der Erfüllung von emotionalen und sexuellen Bedürfnissen usw. dienen sollen oder könnten, ist hingegen historisch ein neues Konzept.

Sowohl Monogamie als auch Polygamie sind also institutionell verankerte Normen, die Verwandtschaftsbeziehungen und darüber auch Vermögensverhältnisse usw. regulieren. Daher ist Polygamie von nicht-monogamen Beziehungspraxen wie Polyamorie oder offenen Beziehungen zu unterscheiden, die in monogam organisierten Gesellschaften wie der deutschen, als nicht-normgerechte Alternativen gelebt werden. Dies sind Beziehungsformen, die nicht institutionalisiert sind, sondern Gegenbewegungen darstellen. Zu jeder Zeit gab es jedoch Praxen – teilweise offen zulässig, teilweise verdeckt –, die Liebe und Sexualität jenseits der vorgeschriebenen Formen von Ehen und Beziehungen gelebt haben und leben. So sind auch in monogamen Gesellschaften außereheliche sexuelle Kontakte und Beziehungen weit verbreitet.


Literatur

  • Emens, Elizabeth F. (2007): Monogamy’s Law: Compulsory Monogamy and Polyamorous Existence. In: New York University Review of Law and Social Change, 29. Jg., H. 11, S. 277 376.
    Online unter papers.ssrn.com/…, Stand: 09.10.2022
  • Kilbride, Philip (1994): Plural marriage for our times. A reinvented option? Westport, CT/London: Bergin & Garvey.
  • Rubin, Gayle (1975): The traffic in women: Notes on the „political economy“ of sex. In: Reiter, Rayna R. (Hrsg.): Toward an anthropology of women. New York/London: Monthly Review Press, S. 157-210.