Monogamie

Monogamie bezeichnet heutzutage eine Form der Beziehung zu einem anderen Menschen. Übersetzt bedeutet Monogamie Einehe. Man hat in monogamen Ehen oder Beziehungen also nur mit einem anderen Menschen eine sexuelle Liebesbeziehung. Monogamie ist in vielen Ländern eine Regel oder Norm und diese wirkt sich sehr stark auf andere Lebensbereiche aus. So soll man in monogamen Beziehungen auch keine romantischen Gefühle zu anderen Menschen haben. Auch sollte man Sex nur mit dem Menschen haben, mit dem man in einer monogamen Beziehung ist. Liebes-, Sexualitäts- und Beziehungsformen, die nicht-monogam sind, werden in solchen Kulturen als negativ beschrieben und häufig auch diskriminiert. Für viele Menschen ist Monogamie auch der Traum einer perfekten Liebesbeziehung. Viele sehen solche perfekte Liebesbeziehungen im Fernsehen oder auf sozialen Medien und möchten das dann auch haben. Obwohl Studien zeigen, dass die meisten Menschen Seitensprünge oder heimliche Affären haben – also nicht monogam leben – hört der Glauben an die lebenslange monogame Liebesbeziehung nicht auf.  

Der Begriff Monogamie meint ursprünglich „Einehe“ und beschreibt daher Gesellschaften, in denen die Ehe als Institution so ausgelegt ist, dass jede Person nur eine andere heiraten darf (in den meisten Fällen ist dies zudem auf die Konstellation Mann-Frau beschränkt). Das Gegenstück sind polygame Gesellschaften, in denen bestimmte, gesellschaftlich und/oder rechtlich geregelte Formen von Mehrfachehen möglich und üblich sind.

Die Verwendung des Begriffs Monogamie hat sich mit der Zeit verändert. Ursprünglich bedeutete Monogamie eine lebenslange Bindung in der Einehe, die auch nach dem Tod andauern sollte (z.B. die Begriffe Witwe/Witwer zeugen davon, dass auch nach dem Tod die Beziehung die überlebende Person definiert). Heute werden auch nichteheliche Beziehungen zu nur einem Menschen als monogam bezeichnet, und diese Beschreibung bezieht sich in der Regel nicht mehr auf die gesamte Lebensspanne. Stattdessen spricht man von ‚serieller Monogamie‘ als herrschende Beziehungsnorm: Menschen führen eine monogame Beziehung, und wenn diese endet, schließt sich die nächste wiederum monogame Beziehung an usw. Dies weicht die Norm der Monogamie einerseits auf, indem sie nur noch auf Zeit gilt. Gleichzeitig zeugt das Phänomen der seriellen Monogamie aber auch gerade von der Kraft des Ideals der Monogamie, denn dahinter verbirgt sich häufig die kontinuierliche Suche oder Sehnsucht nach dem*der ‚einen Richtigen‘, der ‚wahren‘ oder ‚großen‘ Liebe des Lebens. Jede neue Beziehung ist demnach verbunden mit der Hoffnung, diesmal könnte es ‚für immer‘ sein. Und das Ende einer Beziehung wird häufig als Scheitern negativ bewertet.

Der Begriff Monogamie wird also nicht nur als Beschreibung für die Institution der Einehe verwendet, sondern auch auf andere Ebenen bezogen, wie z.B. auf sexuelle Aktivitäten und die Gefühlsebene. Monogamie stellt eine sehr wirkmächtige moralisch/religiös aufgeladene Norm in monogam organisierten Gesellschaften dar, die neben der rechtlichen und wirtschaftlichen Dimension vor allem auf der Gefühls- und Verhaltensebene operiert. Daher wurde in Anlehnung an den Begriff der Heteronormativität der Begriff der Mono-Normativität eingeführt, um diese zentrale Norm und ihre Wirkweisen gezielt analysieren zu können.

Mono-Normativität zeigt sich strukturell in der staatlichen Privilegierung von bestimmten Lebensformen. Sie zeigt sich in den Medien, in denen immer wieder Romantik in Form das Ideals einer monogamen Zweierbeziehung hochgehalten wird und andere Lebensweisen als ‚unmoralisch‘, Zeichen einer Persönlichkeitsstörung (wie Bindungsunfähigkeit), als ‚persönliches Scheitern‘ oder einfach ‚bemitleidenswert‘ usw. dargestellt werden. Gefühle wie Besitzdenken und Eifersucht und gar dadurch verursachte Formen von Gewalt werden in mono-normativen Gesellschaften häufig als gerechtfertigt oder gar natürlich angesehen.

Positive Beispiele alternativer Lebensweisen sind im gesellschaftlichen Mainstream bisher weitgehend unsichtbar und nicht-monogame Lebensweisen werden stigmatisiert, wobei das Stigma insbesondere Frauen trifft. Zudem sind mono-normative Vorstellungen auch Teil rassistischer Diskurse, da die Fähigkeit zu lieben im Kolonialismus nur weißen Menschen in monogamen Ehen zugesprochen wurde und dies als Zeichen ihrer vermeintlichen Überlegenheit gedeutet wurde, während insbesondere afrikanische polygame Gesellschaften als ‚unzivilisiert‘ diffamiert wurden.

Gleichzeitig zeigen Studien immer wieder, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in mono-normativen Gesellschaften zwar das Ideal der Monogamie verinnerlicht haben und diesem nacheifern, aber die gelebte Praxis ein anderes Bild zeichnet. Denn statistische Untersuchungen bezeugen, dass zwischen 25% und 70% der Befragten angeben, schon einmal einen sogenannten ‚Seitensprung‘ oder eine ‚heimliche Affäre‘ gehabt zu haben. Insofern erscheint die Monogamie-Norm als eine Art schwer erreichbares Ideal, insbesondere wenn man bedenkt, dass manchmal schon Gedanken und Gefühle als ‚Fremdgehen‘ oder ‚Betrügen‘ gedeutet werden und nicht nur Handlungen. Es gibt jedoch auch Menschen, die bewusst und in allerseitigem Einvernehmen nichtmonogame Beziehungspraxen leben und die Monogamie-Norm sowie Diskurse der Romantik kritisch infrage stellen (siehe aromantisch). Wenn Menschen mit Behinderungen mehrere Beziehungen gleichzeitig führen oder wechselnde Partner*innen haben, wird dies teilweise nicht ernst genommen oder ihnen unterstellt, sie seien aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage, eine monogame Beziehung zu führen. Aber auch Menschen mit Behinderungen führen vielfältige Formen von Beziehungen und haben ein Recht darauf, selbst zu bestimmen, ob sie monogam oder nichtmonogam leben wollen.


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