Homophobie/Homonegativität

Homophobie bedeutet, dass man vor Menschen Angst hat, die homosexuell sind, oder sie ablehnt, weil sie nicht der Norm entsprechen. Deswegen werden homosexuelle Menschen teilweise nicht akzeptiert und diskriminiert. Homophobe Menschen gibt es auf der ganzen Welt. Homophobie äußert sich z.B. darin, dass man einen Menschen nicht mag, weil er oder sie schwul oder lesbisch ist. Aber auch Länder können homophob sein. Diese machen dann Gesetze, die homosexuellen Menschen verbieten, homosexuell zu leben oder sich in der Öffentlichkeit homosexuell zu verhalten. Wie homosexuelle Menschen diskriminiert werden, ändert sich immer wieder. Früher wurde Homosexualität als Geisteskrankheit angesehen, was jetzt nicht mehr so ist. Es gab auch eine Zeit, wo Homosexualität strafbar war, das ist jetzt auch nicht mehr so. Homosexuelle Menschen haben in unserer Gesellschaft heutzutage fast die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen. In anderen Ländern steht Homosexualität immer noch unter Strafe oder gilt als Geisteskrankheit.

In einer heteronormativen Gesellschaft werden gleichgeschlechtliche Lebensweisen auf verschiedene Art und Weise ungleich behandelt, also diskriminiert. Was das konkret bedeutet, hat sich im Laufe der Zeit verändert und ist auch regional und kulturell unterschiedlich. So wurde in Deutschland Homosexualität schrittweise entpathologisiert (also nicht mehr als Krankheit eingestuft), entkriminalisiert (also nicht mehr als illegaler Akt eingestuft) und homosexuelle Paare heterosexuellen Paaren weitgehend rechtlich gleichgestellt.

Während die strukturelle Diskriminierung tendenziell abnimmt, bleiben LSBTIQA* Personen weiterhin auf der institutionellen Ebene, in den Medien und der alltäglichen Interaktionsebene Diskriminierungen ausgesetzt.

So darf beispielsweise die Kirche als Arbeitgeber weiterhin gegen Lesben, Schwule, bisexuelle und auch trans* Personen diskriminieren. 2022 wurde daher in Deutschland die weltweit bisher einzigartige Kampagne „Out in Church“ von LSBTIQA* Personen in der Kirche gestartet, um die diskriminierenden Zustände öffentlich anzuprangern. In Medien finden sich trotz vieler positiver Beispiele weiterhin auch stereotype oder abwertende Darstellungen von LSBTIQA* Personen und Beziehungen.

In der Bevölkerung herrschen weiterhin verbreitete Vorurteile und die Überzeugung, dass LSBTIQA* Lebensweisen sündhaft, verwerflich, unnatürlich oder krankhaft seien. Dies erzeugt ein allgemeines gesellschaftliches Klima und kann zudem zu verbaler und körperlicher Gewalt gegenüber LSBTIQA* Personen führen. LSBTIQA* Jugendliche sind beispielsweise bereits in der Herkunftsfamilie und in der Schule häufig Ablehnung, Ausgrenzung und Mobbing ausgesetzt. Homonegative Einstellungen des Umfelds werden häufig auch internalisiert, also ins Selbstbild übernommen. Dies kann nicht nur der Selbstakzeptanz im Wege stehen und ein Coming-Out erschweren, sondern auch schwerwiegende Folgen wie psychische Erkrankungen, Suchterkrankungen oder Suizidalität verursachen, von denen insbesondere LSBTIQA* Jugendliche nachweislich überproportional betroffen sind.

Der Begriff der Homophobie reduziert das Phänomen begrifflich auf eine individuelle Angststörung (Phobie). Daher ist er in die Kritik geraten, weil so die gesellschaftlichen Ursachen von Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen aus dem Blick geraten können. Im engeren Sinne beschreibt Homophobie anti-LSBTIQA*-Einstellungen und Verhaltensweisen als eine tief verwurzelte Angst, insbesondere von heterosexuellen Cis-Männern vor körperlicher und emotionaler Nähe bzw. Intimität zu anderen Männern. Sie spielt eine grundlegende Rolle in der Herstellung stereotyper, vermeintlich „echter“ Männlichkeit. Dies lässt sich am Beispiel der alltäglichen und allgegenwärtigen abwertenden Verwendung der Begriffe „schwul“ und „Schwuchtel“ unter männlichen Jugendlichen veranschaulichen. Auch ein Gefühl des Ekels oder Unwohlseins angesichts von zwei Männern, die sich auf der Straße küssen, ist ein typischer Ausdruck von Homophobie. Homophobie ist also ein grundlegender, in der Regel unbewusster und unreflektierter Mechanismus in der Herstellung (hetero-)normativer Männlichkeit. Eine Ursache von Homophobie ist daher Verunsicherung bezogen auf die eigene Rolle oder Identität (als heterosexueller Mann).

Die Begriffe Homosexuellenfeindlichkeit oder Homonegativität betonen hingegen, dass es sich um eine Einstellung handelt, die ihre Wurzeln in der allgemeinen Heteronormativität der Gesellschaft hat und sich in absichtsvollen diskriminierenden Verhaltensweisen niederschlägt, seien dies subtile Ausgrenzungsformen, Beschimpfungen oder körperliche Gewalt. Diese Begriffe betonen also, dass es sich nicht um ein Problem einzelner Menschen, sondern um eine Struktur handelt, die einerseits tief in der Gesellschaft verwurzelt ist und als soziales Phänomen anderseits aber auch veränderbar ist.


Literatur

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    Online unter outinchurch.de/…, Stand: 27.02.2022
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  • Timmermanns, Stefan u.a. (2022): „Wie geht’s euch?“ Psychosoziale Gesundheit und Wohlbefinden von LSBTIQ*. Weinheim: Beltz Juventa.