Genderqueer

Genderqueere Personen kritisieren die gesellschaftliche Einteilung in Mann und Frau und kritisieren auch die gesellschaftliche Einteilung der sexuellen Orientierung in homosexuell oder heterosexuell. Genderqueere Menschen möchten zeigen, dass es viel mehr Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen gibt. Es gibt genderqueere Menschen, die sich weder eindeutig als Mann oder eindeutig als Frau fühlen (z.B. nicht-binäre Menschen). Dann gibt es genderqueere Menschen, die sich mal als Mann und mal als Frau fühlen (z.B. Butches oder Drag Kings). Dann gibt es genderqueere Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen (agender). Manche genderqueere Personen möchten deshalb auch nicht als Mann oder als Frau angesprochen werden.

Der Begriff genderqueer stammt aus dem Englischen und ist eine Wortschöpfung aus den Begriffen „gender“ (deutsch: „soziales Geschlecht“) und „queer“. Queer etablierte sich zuerst als Begriff für eine Identität, die sich jenseits der üblichen Kategorien sexueller Orientierung wie homo-/heterosexuell bewegt und implizit diese Kategorien kritisiert. Analog steht genderqueer für Geschlechtsidentitäten, die sich jenseits der Kategorien Mann/Frau bewegen und implizit die Norm der Zweigeschlechtlichkeit kritisiert. Genderqueer gehört also zu den Identitätskonzepten, die man heute auch als ‚nicht-binär‘ bezeichnet.

Genderqueer als Selbstbezeichnung wird vor allem von drei Gruppen verwendet:

  • Personen, deren Identität auf einem Spektrum zwischen männlich/weiblich irgendwo dazwischen fällt (auch: nicht-binär/non-binär, androgyn);
  • Personen, die sich Situationsabhängig als unterschiedlichen Geschlechtern zugehörig fühlen, z.B. mal männlich/mal weiblich, aber auch mal als Tunte/mal als Butch usw., also schon von einer Vielfalt der Geschlechter statt nur von männlich/weiblich ausgehen (auch: bigender, wenn es nur um zwei Geschlechter geht, oder genderfluid, gender slider usw.);
  • Personen, die Geschlecht als Kategorie für sich ablehnen (auch: agender).

Man kann also unterscheiden danach, ob die Geschlechtsidentität relativ stabil ist oder fluktuiert (z.B. genderfluid) und danach, wo die Verortung auf einem Spektrum liegt (z.B. nicht-binär), oder ob gar nicht erst von zwei Polen und einem Kontinuum dazwischen, sondern von einer Vielfalt von Geschlechtern als Orientierungspunkten ausgegangen wird (z.B. manche genderqueere Identitäten). Genderqueere Personen, die der zweiten Gruppe angehören, verwenden häufig wechselnde Pronomen, je nach Kontext bzw. nach Tagesstimmung. So verwenden einige Drag Queens, die sich als nicht-binär identifizieren, in Drag Kontexten weibliche Pronomen, aber im Alltag geschlechterneutrale Pronomen. Genderqueers, die sich eher ständig als nicht-binär oder agender verstehen, verwenden häufig durchgängig geschlechtsneutrale Pronomen wie they/dey, xie oder einfach den Vornamen anstelle des Pronomens. Da genderqueere Personen sich nicht innerhalb der binären Konstruktion von männlich/weiblich bewegen, verwenden sie auch kaum Begriffe wie hetero-, homo- oder bisexuell als Beschreibung der eigenen sexuellen Orientierung, sondern häufiger Begriffe wie queer, pansexuell usw., die auch bereits die zweigeschlechtliche Logik infrage stellen.


Literatur

  • Bauer, Robin (2005): When Gender Becomes Safe, Sane and Consensual. Gender Play as a Queer BDSM Practice. In: Haschemi Yekani, Elahe/Michaelis, Beatrice (Hrsg.): Quer durch die Geisteswissenschaften – Perspektiven der Queer Theory. Berlin: Querverlag, S. 73-86.
  • Budge, Stephanie (2016): Genderqueer. In: Goldberg, Abbie E. (Hrsg.): The SAGE encyclopedia of LGBTQ studies. Thousand Oaks: Sage, S. 461-463.
  • Nestle, Joan/Howell, Clare/Wilchins, Riki (Hrsg.) (2002): Genderqueer: Voices from beyond the sexual binary. Los Angeles, CA: Alyson Books.