Ageism

Ageism bedeutet, dass man alte Menschen diskriminiert, weil sie alt sind. Zum Beispiel werden alte Menschen nicht mehr eingestellt, weil man denkt, sie seien zu alt für den Beruf. Mit dem Alter verbindet man dann Begriffe wie krank, einsam, körperlich und geistig nicht mehr gesund. Das sind aber Vorurteile. Wenn man Ageism betreibt, dann denkt man auch, dass alte Menschen sich anders oder ‚ihrem Alter entsprechend‘ kleiden und verhalten sollten. Wenn es sehr wenig alte Menschen gibt, dann stellt Alter etwas Besonderes dar. Solche Menschen werden dann als weise angesehen oder auch verehrt. Wenn es viele alte Menschen gibt, dann ist Alter nichts Besonderes mehr. Im Gegenteil sind alte Menschen dann solche, die nicht mehr arbeiten können und von den ‚jungen‘ Menschen mitversorgt werden müssen.

Ageism ist ein Begriff, der sich aus „age“ (Alter) und „-ism“ (-ismus) zusammensetzt und eine komplexe, insbesondere abwertende gesellschaftliche Konstruktion von hohem Alter beschreibt. Individuelle und strukturelle Altersdiskriminierung wie bspw. auf dem Arbeitsmarkt ist also ein Aspekt von Ageism, aber Ageism untersucht auch breiter gesellschaftliche Normen, Ideale und Stereotype, die auf einer Glorifizierung von Jugend, körperlicher und geistlicher Fitness usw. basieren. Gängige Stereotype gegenüber älteren Menschen sind beispielsweise, dass sie ‚senil‘, ‚starsinnig‘, altmodisch/konservativ, krank, asexuell, unproduktiv, einsam und depressiv seien. Ageism und Ableism sind teilweise eng miteinander verwoben, da sowohl Alter als auch Behinderung mit Schwäche, Abhängigkeit, Inkompetenz usw. verbunden wird.

Der Begriff Ageism geht ursprünglich auf Robert Butler zurück, der darunter Vorurteile einer Altersgruppe gegenüber einer anderen verstand, insbesondere Diskriminierung der mittel-alten Gruppe gegenüber jüngeren und älteren Gruppen, da aus der Perspektive der mittel-alten Gruppe sowohl jüngere als auch ältere Kohorten von ihnen abhängig, also auf ihre Versorgung und Unterstützung angewiesen sind. Hingegen wird heute die Diskriminierung junger Menschen spezifischer mit dem Konzept des Adultismus beschrieben. Andere Ansätze erklären Ageism u.a. damit, dass ältere Menschen als (unwillkommene) Erinnerung an die eigene Verletzlichkeit und Sterblichkeit dienen. Gleichzeitig wird hohes Alter mit dem Verlust von Kompetenzen verbunden. Konzepte wie ‚geistig jung geblieben‘ kann man somit als Versuche verstehen, den alternden Körper vom fitten Geist zu trennen und Modelle ‚erfolgreichen Alterns‘ zu etablieren. Einerseits setzen solche Konzepte negativen Stereotypen etwas entgegen, andererseits bergen sie die Gefahr, die Verantwortung für weiterhin ‚nicht erfolgreiches Altern‘ (z.B. mit starkem Abbau von Fähigkeiten, Vereinsamung usw.) beim Individuum anzusetzen, anstatt gesellschaftliche Strukturen (wie z.B. schlechte Gesundheitsversorgung für bestimmte Gruppen, Isolation aufgrund von veränderten Familienstrukturen bei gleichzeitigem Mangel an alternativen kollektiven Wohnformen) und deren Veränderung in den Blick zu nehmen. So wird aus der Ageism-Perspektive deutlich, dass Menschen in modernen westlichen Kulturkreisen häufig strukturell nach Alter getrennt werden, auf der Basis von standardisierten Lebensläufen, die u.a. eine Phase der Bildung vorsehen, dann eine der Familiengründung und -versorgung, später im Leben den Ruhestand. Dies scheint problematisch aufgrund von mangelnder Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben, mangelnder Interaktion zwischen den Generationen und dem Statusverlust des Alters in modernen Gesellschaften. So gibt es heute viel mehr ältere Menschen, sodass hohes Alter keine Ausnahmeerscheinung oder ‚Leistung‘ mehr darzustellen scheint und das über die gesamte Lebensspanne erworbene Erfahrungswissen älterer Menschen erhält nicht mehr dieselbe Anerkennung (Weisheit), sondern wird in einer sich durch technologische Innovationen schnell verändernden Gesellschaft eher als überholt betrachtet.

Alter wird im Rahmen der Ageism-Perspektive analog zu anderen Differenzkategorien wie Geschlecht als das Resultat sozialer Interaktionen verstanden (‚doing age‘). Z.B. wird durch bestimmte Formen der Interaktion ein gesellschaftlicher Status damit verbunden und inszeniert. Dabei wird die Kategorie Alter so konstruiert, dass sie aus zwei gegensätzlichen Polen besteht: das junge Ende steht für das begehrte Alter, das mit Schönheit, Vitalität (Lebenskraft), Stärke usw. assoziiert wird, während hohes Alter das ‚gefürchtete Alter‘ darstellt, das mit Verfall, Krankheit, Schwäche und Tod assoziiert wird. ‚Doing age‘ zeigt sich z.B. darin, dass es kulturelle Vorstellungen darüber gibt, welches Verhalten, aber auch welche Kleidung usw. ‚altersangemessen‘ ist. Ageism äußert sich dabei auch geschlechtsspezifisch, so werden Frauen in einem früheren Alter als ‚alt‘ wahrgenommen als Männer. Von Frauen wird daher auch starker erwartet, sich ‚altersangemessen‘ zu verhalten. So ist z.B. der Markt für Kleidung und sonstige Körper- und Schönheitsprodukte stark nach Alter unterschieden.


Literatur

  • Ayalon, Liat/Tesch-Römer, Clemens (Hrsg.) (2018): Contemporary Perspectives on Ageism. Springer Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-73820-8.
  • Brauer, Kai/Clemens, Wolfgang (Hrsg.) (2010): Zu alt? „Ageism“ und Altersdiskriminierung auf Arbeitsmärkten. Wiesbaden: Springer.
  • Butler, Robert N. (1969): Ageism: Another form of bigotry. In: The Gerontologist, 9. Jg., H. 4, S. 243-245.