Teil B: Strukturen/Leitlinien der Einrichtung – Handlungsempfehlung Inklusionsbeginnende

Was ist zu tun?

Mit inklusiven Strukturen/Leitlinien sind vor allem die Stichworte Barrierefreiheit und Angebotsplanung verbunden. Sie sollten sich in ihrer Einrichtung also nicht nur um die Identifizierung und Beseitigung von Zugangsbarrieren kümmern, sondern auch (bestehende) Angebote reflektieren und ggf. modifizieren. Denn alle Aktivitäten müssen an die Bedürfnisse und Interessen verschiedener Personengruppen und damit beispielsweise auch von Besucher*innen mit Behinderung angepasst werden, was eine inklusive Planung und Gestaltung Ihrer Angebote und Aktivitäten zwingend voraussetzt. Was die Zugangsbarrieren betrifft, so sind damit nicht nur die unmittelbaren räumlichen Bedingungen gemeint. Barrierefreiheit fängt bereits bei der Erreichbarkeit der Angebote an. Weiterhin muss geprüft werden, ob Zugänge vor Ort für alle offen sind. Neben räumlichen Barrieren bestehen häufig auch sprachliche, aufgabenbezogene und institutionelle bzw. soziale Bedingungen, die der Inklusion von Besucher*innen mit Behinderung entgegenstehen.
Allerdings ist es nicht nur alleine mit dem Abbau von Zugangsbarrieren und einer inklusiven Angebotsplanung getan! So sollten Sie auch auf die Einbindung Ihrer Einrichtung im Stadtteil/in der Stadt/der Gemeinde achten, sich mit anderen Akteur*innen vernetzen, Ressourcen erschließen und Schulungen für ihre Mitarbeiter*innen und ehrenamtlichen Kräfte zu den Themen Inklusion, Barrierefreiheit und Behinderung anbieten.

…und was bedeutet das nun konkret für die Praxis?

Die Umsetzung von Inklusion kann als ein zirkulärer Prozess verstanden werden. Dieser teilt sich in fünf Phasen auf. Sie befinden sich derzeit wohl am ehesten in der Phase I, Phase II oder Phase III. Innerhalb dieser Phasen geht es im Schwerpunkt u.a. um die Schaffung inklusiver Strukturen und Leitlinien. Im Folgenden wollen wir Ihnen in sechs Bereichen aufzeigen, welche Maßnahmen sie ergreifen müssen, um inklusive Strukturen in Ihrer Einrichtung zu fördern:

  1. Team: Zu Beginn Ihres Inklusionsvorhabens empfehlen wir Ihnen eine Steuerungsgruppe (Initiativteam/Inklusionsteam) innerhalb Ihrer Einrichtung zu gründen, in der Sie die Einrichtungssituation im Hinblick auf Barrieren gemeinsam mit allen Mitarbeiter*innen, Leitung, Trägervertreter*innen und Vetreter*iInnen der Besucher*innen sowie Externen aus der Gemeinde (Eltern, Fachberatung, Gemeindevertreter*innen) beleuchten. Dabei ist insbesondere auf den Einbezug aller Nutzer*innen zu achten. Das heißt, Sie sollten Barrieren gemeinsam mit diesen identifizieren, analysieren und beseitigen. Dies schult auch den Blick aller Beteiligten auf Barrieren und verbessert nachhaltig die Sensibilität und inklusive Kultur Ihrer Einrichtung. Vergewissern Sie sich zudem, dass Sie auch Besucher*innen mit Behinderung einbeziehen und sie zur Teilhabe und Mitbestimmung anregen. Denn die Beteiligung von Teilnehmer*innen und Besucher*innen mit Behinderung kann sowohl für die Einrichtung als auch für die Besucher*innen selbst gewinnbringend sein: Einerseits sind Nutzer*innen mit Behinderung Expert*innen in eigener Sache und können somit am besten die Barrieren einschätzen, andererseits finden zwischen Ihren Mitarbeiter*innen, Ehrenamtlichen und Besucher*innen mit und ohne Behinderungen bereits Begegnungen statt, die zur Sensibilisierung und somit zum Abbau von Berührungsängsten beitragen.Die Steuerungsgruppe sollte – unter Einbezug der Besucher*innenschaft – Ihre Einrichtung im Hinblick auf folgende Aspekte beleuchten:
  2. Erreichbarkeit und Zugänglichkeit (v.a. räumliche Barrieren): Sind Ihre Angebote denn ohne weiteres erreichbar? Oder: Welche Barrieren müssen hierzu überwunden werden? So sollten Sie hinsichtlich der Erreichbarkeit von Angeboten, die innerhalb und außerhalb Ihrer Einrichtung stattfinden, ggf. Fahrdienste organisieren. Dann sollten Sie die Zugänge zu Ihrer Einrichtung daraufhin analysieren, ob diese für Jede/n zugänglich sowie räumlich barrierefrei sind.  Entsprechend müssen Sie räumliche Barrieren in Ihrer Einrichtung aufspüren und nach und nach abbauen, beispielsweise durch Mobilitätshilfen. Methoden, die sich zur Identifikation von räumlichen Barrieren eignen, sind z.B. Begehungen, Erkundungen oder Fotostreifzüge und Versammlungen, Inklusionsforen oder (begleitete) Befragungen von Besucher*innen und weiteren Akteur*innen des Stadtteils/der Stadt/der Gemeinde.
  3. Auch sprachliche Barrieren müssen Sie identifizieren und abbauen! Dies bezieht sich sowohl auf die Strategien zur Bewerbung von Angeboten für Kinder, Jugendliche, Eltern und Öffentlichkeit als auch auf die Gestaltung Ihrer Angebote oder Einrichtung und die dort stattfindende Kommunikation. Beispielsweise sollten Flyer in „einfacher Sprache“ und ggf. in Brailleschrift gedruckt, eine barrierefreie Homepage konstruiert sowie ein „Freizeitwegweiser“ für inklusive Angebote und sämtliche weitere Informationen in verständlicher Sprache entwickelt werden. Alternativ bietet sich oftmals auch die Verwendung von bildhaften Darstellungen an. Bei Bedarf sollten Sie auch den Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher*innen in Erwägung ziehen. Egal welche öffentlichkeitswirksame Strategie Sie wählen, müssen Sie in allen Informationen jede/n Besucher*in in Ihrer Einrichtung willkommen heißen. Kommen Anfragen von interessierten Personen, achten Sie darauf, dass diese zeitnah und in einer angemessenen Frist bearbeitet werden.
  4. Da der Aufbau inklusiver Strukturen/Leitlinien Hand in Hand mit der Etablierung einer inklusiven Einrichtungskultur geht, ist die Umsetzung von Inklusion wesentlich davon abhängig, inwiefern in Ihrer Einrichtung inklusive Werte (z.B. Akzeptanz von Vielfalt, respektvoller Umgang etc.) verankert und gelebt werden. Für die Praxis bedeutet dies, dass Sie soziale Barrieren in Form von Vorurteilen und Diskriminierungen erkennen, aufgreifen und konsequent beseitigen müssen. Sie sollten jegliche Art von Mobbing und Gewalt unterbinden sowie gemeinsam mit den Besucher*innen und ehrenamtlichen Kräften Angebots- oder Hausregeln, vor allem was Diskriminierung betrifft, erarbeiten und vereinbaren. Weiter sollten Sie in Ihren Angeboten spezielle Teilnahmevoraussetzungen überdenken und Beschränkungen auf bestimmte (Ziel-) Gruppen abbauen. Auch sollten Sie die besonderen Unterstützungsbedarfe der Teilnehmer*innen erkennen und in die Planung Ihrer Angebote einbeziehen. Was das Erkennen des Unterstützungsbedarfs von Besucher*innen mit Behinderung anbelangt, ist der Austausch mit den Eltern bzw. mit Anbietenden der Behindertenhilfe wichtig und hilfreich. Weiter raten wir Ihnen hierbei auch die Gewinnung von Ehrenamtlichen zur Unterstützung behinderter Teilnehmer*innen, zum Beispiel in Form von so genannten Unterstützerkreisen (‚Circle of friends/support‘) oder eine persönliche/personenzentrierte Zukunftsplanung (‚person-centered planning‘).
  5. Weitere Hürden, die Sie angehen sollten, stellen inhaltliche bzw. aufgabenbezogene Barrieren in ihren Angeboten dar. Der Abbau dieser Barrieren ermöglicht oftmals erst die Nutzbarkeit. Wir empfehlen Ihnen hierbei darauf zu achten, dass die Heterogenität aller Beteiligten als Stärke berücksichtigt und die Partizipation bzw. Mitsprachemöglichkeiten für alle Beteiligten (Mitarbeiter*innen, Ehrenamtliche, Besucher*innen) ermöglicht wird. Beispielsweise sollten keine Gruppen nach physischen oder psychischen Leistungen oder Beeinträchtigungen separiert oder eingeteilt werden. Zu starke Wettbewerbssituationen sollten vermieden werden. Inklusive Angebote dienen als Kommunikations- und Interaktionsräume und daher als Möglichkeiten zum Kennenlernen und Beziehungsaufbau von nichtbehinderten und behinderten Besucher*innen, weshalb unbedingt eine positive Atmosphäre geschaffen werden muss. Dies beinhaltet z.B., dass Spiel- und Teilnahmeregeln so gestaltet bzw. abgeändert werden müssen, dass alle Besucher*innen daran teilnehmen und positive Erfahrungen machen können. Vor allem in inklusiven Sportangeboten sollten die auf körperlichen Leistungen beruhenden Statusunterschiede vermieden und Angebotsinhalte zugunsten behinderter Teilnehmer*innen modifiziert werden. Der Erfolg inklusiver Aktivitäten ist dann besonders hoch, wenn dabei die Zusammenarbeit der ganzen Gruppe gefragt ist (z.B. gemeinsames Kochen, gemeinsames Arbeiten an einem Ziel etc.). Das gemeinsame Tun und Erleben sollte also im Mittelpunkt stehen. Deshalb eignen sich besonders Aktivitäten, bei welchen alle Beteiligten neue Erfahrungen machen können und keine Gruppe einen Wissens- oder Erfahrungsvorsprung mitbringt. Folgende Aktivitäten können als Beispiele dienen: Ausflüge und Ausfahrten, Konzerte, Ferienfreizeiten, Kinderspielstädte, Theatergruppen, Zirkusprojekte oder inklusive Sportangebote wie Rollstuhlfechten, Rollstuhlbasketball oder Rollstuhltischtennis.
  6. Netzwerkbildung/Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunalpolitik: Zum Abbau der Barrieren in Ihrer Einrichtung ist es sinnvoll, Organisationen und Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Initiativen und Interessenvertretungen behinderter Menschen einzubeziehen. Diese sollten sie zusätzlich als Kooperationspartner*innen zur Planung und Durchführung von Angeboten wie Ferienprogramme, Ausflüge, Theatergruppen gewinnen und als Unterstützung bzw. Anbieter für Weiterbildungsmaßnahmen/Schulungen zum Thema Inklusion für Mitarbeiter*innen und Ehrenamtliche z.B. in Form von Fachtagen für Jugendleiter*innen hinzuziehen. Auch sind eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierungsaktivitäten zu empfehlen, z.B. in Form von Plakataktionen, eines Weihnachtsmarktstands oder der Mitwirkung an Stadtteilfesten sowie öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie Inklusionsforen.