Tagesförderstätte/Tagesförderung

Manche Menschen haben aufgrund ihrer Behinderung sehr starke Einschränkungen. Sie können deshalb nicht so arbeiten, wie andere Menschen. Menschen mit Behinderungen können in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen arbeiten. Die Abkürzung davon ist WfbM. Manche Menschen können aber wegen ihrer Einschränkungen nicht in einer solchen WfbM arbeiten. Zum Beispiel brauchen sie Pflege. Oder sie brauchen viel Unterstützung. Dafür gibt es Tagesförderstätten. In Tagesförderstätten können Menschen mit schweren Behinderungen ihren Tag verbringen. Sie bekommen hier Beschäftigung und Unterstützung. Aber sie bekommen hier kein Geld für Ihre Arbeit. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen (die Abkürzung ist: NRW) findet das ungerecht. Dort heißt es: Menschen mit Behinderungen können nichts dafür, wie schwer sie behindert sind. Deshalb bekommt man in Tagesförderstätten in NRW auch ein Arbeitsentgelt. Einige Bundesländer finden das eine gute Idee und versuchen, dass Menschen in Tagesförderstätten auch in ihrem Bundesland Geld bekommen.

Tagesförderstätten bieten Menschen mit mehrfachen oder schweren Behinderungen individuelle, tagesstrukturierende Förderangebote an, die an ihren Interessen und Fähigkeiten anknüpfen und dazu beitragen, ihre persönlichen, sozialen und lebenspraktischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln sowie ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu unterstützen.

Dies ist ein Angebot für Menschen mit sog. schwersten oder mehrfachen Behinderungen, die (noch) nicht in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) arbeiten können, da sie laut § 136 Abs. 3 SGB IX nicht „die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt erfüllen“, d.h. „wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung [zu] erbringen“ (§ 136 Abs.2 SGB IX). Gemeint sind hierbei u.a. Menschen, die einen hohen Unterstützungsbedarf (bspw. in der Pflege) haben, und für die der Betreuungsschlüssel in der WfbM nicht ausreicht.

Tagesförderstätten sind entweder an eine Werkstatt angegliedert oder eigenständig. Neben der Versorgung, Betreuung und Alltagsbegleitung von Menschen mit Behinderungen stehen die Heranführung an Arbeit und die Teilhabe an Arbeitsprozessen, Bildungsangebote sowie die Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben im Mittelpunkt. Anders als in einer WfbM erhalten sie dort allerdings kein Arbeitsentgelt.

Am Modell der Tagesförderstätten gibt es vor allem die Kritik, dass Menschen mit komplexen Behinderungen und/oder hohem Unterstützungsbedarf (sog. Schwerst-/Mehrfachbehinderungen) hierdurch von ihrem Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben ausgeschlossen werden. Demnach würden Tagesförderstätten gegen Art. 27 UN-BRK verstoßen, also dem Recht, „den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen“.

Damit auch Menschen mit komplexen Behinderungen ihr Recht auf berufliche Teilhabe in Anspruch nehmen können, gehen einige Bundesländer mittlerweile Sonderwege, wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen, in dem Tagesförderstätten abgeschafft bzw. Tagesförderstrukturen in die WfbM integriert wurden. Dadurch können auch Menschen mit komplexen Behinderungen und sehr hohen Unterstützungsbedarfen ein Angebot zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer WfbM erhalten. Diesen sogenannten „NRW-Weg“ (oder: NRW-Modell) findet auch in anderen Bundesländern Nachahmung. Davon unberührt bleibt die grundsätzliche Kritik am deutschen Werkstättensystem und die damit verbundene Entgeltsituation.


Literatur

  • Aktion Mensch e.V. (Hrsg.) (2013): Familienratgeber. Der Online-Ratgeber für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen. Tagesförderung.
    Online unter www.familienratgeber.de/…, Stand: 15.10.2013
  • Jankuhn, Reinhard (2007): Tagesförderstätte für schwerst- und mehrfachbehinderte Jugendliche und Erwachsene. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Hrsg.): Fachlexikon der Sozialen Arbeit. 6. Aufl. Baden-Baden: Nomos, S. 956.
  • Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (2020): Vereinbarung zur Teilhabe an Arbeit von Menschen mit sehr hohen und/oder sehr besonderen Unterstützungsbedarfen in nordrhein-westfälischen Werkstätten für behinderte Menschen und/ oder bei anderen Leistungsanbietern. Düsseldorf.
    Online unter www.mags.nrw/…, Stand: 01.10.2024
  • Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (2020): Vereinbarung zur Teilhabe an Arbeit von Menschen mit sehr hohen und/oder sehr besonderen Unterstützungsbedarfen in nordrhein-westfälischen Werkstätten für behinderte Menschen und/ oder bei anderen Leistungsanbietern. Düsseldorf.
    In Leichter Sprache
    Online unter www.mags.nrw/…, Stand: 01.10.2024