Community Care

Community Care ist Englisch und besteht aus zwei Wörtern. Community bedeutet Gemeinschaft. Care bedeutet Sorge. Community Care heißt, dass man sich dort, wo man lebt, gegenseitig hilft und unterstützt. Alle sollen die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Man soll auch nicht mehr weit fahren müssen, um Hilfe zu bekommen.

Der aus dem englischsprachigen Raum stammende Begriff Community Care kann mit „Gemeinschaftspflege“, „Gemeindeversorgung“ oder „Gemeinweseneinbindung“ übersetzt und erklärt werden. Für Aselmeier (2008, S. 16) ist Community Care ein „Konzept für Gemeinwesenorientierung in der Behindertenhilfe“. Damit soll es von der sogenannten Institutionenorientierung der bisherigen Behindertenhilfe abgegrenzt werden (vgl. ebd., S. 63ff.), in der die Hilfen quasi auf Basis institutioneller Logiken geplant und erbracht werden und sich nicht oder weniger an den Bedürfnissen der Unterstützungsbedürftigen orientieren.

Das Konzept zielt darauf ab, ein Gemeinwesen aufzubauen und zu entwickeln, in dem alle Menschen Zugang zu entsprechenden gemeinderelevanten Dienstleistungen haben, welches sich um seine Mitglieder „kümmert“ und in dem alle Menschen benötigte Unterstützungsmöglichkeiten vorfinden. Die uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie Wahlmöglichkeiten sind dabei zentrale Grundprinzipien. Insofern erfüllt dieses Konzept auch die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), vor allem wenn es um die Prämissen eines selbstständigen und unabhängigen Lebens im Gemeinwesen geht. In Artikel 19 heißt es, dass Menschen mit Behinderung „Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist.“ Generell sollen „gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen (…) Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen.“ Insofern sind auch die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit im Kontext dieser Forderungen zu interpretieren.

Community Care als Konzept für gemeindeintegrierte Unterstützung hat seinen Ursprung vor allen in Skandinavien und im anglo-amerikanischen Raum. In Europa ist es vor allem in Großbritannien und Schweden verbreitet (vgl. Aselmaier 2008). Es stützt sich auf die Grundannahme, dass Teilhabe von Menschen mit Unterstützungsbedarf im gesellschaftlichen Leben mehr darstellt, als die Unterbringung in betreuten Einrichtungen bzw. Wohnungen innerhalb des Gemeinwesens. Daher zielt Community Care nicht nur auf die Schaffung neuer Wohnformen ab, sondern schließt auch den Auf- und Ausbau von entsprechenden Unterstützungsstrukturen sowie Begegnungs- und Kontaktmöglichkeiten mit ein. Dazu gehört auch der Abbau von Zugangs- und Nutzungsbarrieren (Barrierefreiheit) sowie eine Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber den Bedürfnissen und Belangen von Menschen mit Behinderung.

Das Konzept Community Care wurde vor allem als Steuerungsmodell für lokale Verwaltungen entwickelt. Diese Vorgehensweise impliziert auch eine Abkehr von der anbieterdominierten Institutionenorientierung hin zu mehr Personenorientierung mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben innerhalb des Gemeinwesens zu ermöglichen. Dies bedeutet auch, dass sogenannte Komplexeinrichtungen bzw. Großeinrichtungen für Menschen mit Behinderung aufgelöst und stattdessen kleinere, gemeindeintegrierte Wohnkonzepte entwickelt und aufgebaut werden sollen. Als sozialraumorientiertes Konzept beinhaltet Community Care die Forderung, dass soziale Dienstleistungen flexibel auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen angepasst werden müssen. Alles in allem basiert Community Care auf einem „Hilfesystem, in welchem Hilfen nicht in Form von standardisierten Komplexleistungen, sondern bezogen auf individuelle Bedarfe und Wünsche erbracht werden, um Menschen mit Unterstützungsbedarfen ein weitestgehend selbständiges Leben zu ermöglichen“ (Aselmeier 2008, S. 68).

Ein wichtiges Kriterium für das Community Care Konzept ist, dass der entsprechende Zugang zu den Hilfen nicht an die Zugehörigkeit einer Personengruppe geknüpft ist. Alle Personen, die Unterstützung benötigen, haben einen Anspruch auf die entsprechenden Hilfen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Senior*innen, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund, Wohnungslose etc. handelt. In Bezug auf Menschen mit Behinderung ist dabei insbesondere die Vermeidung von Ausgrenzung und Absonderung in Form spezieller Unterstützungssettings zentral. Ferner soll Menschen mit Behinderung zu mehr politischer Einflussnahme verholfen werden, so dass Community Care dem Empowerment-Konzept nahesteht.

Community Care kann und soll in Form eines bedarfsgerechten „Hilfe-Mixes“ umgesetzt werden. Für die Kinder- und Jugendarbeit bedeutet dies, dass sie Teil eines solchen gemeindeorientierten Hilfe-Mixes sein kann und auch sollte. Weil die Kinder- und Jugendarbeit ebenso als gemeindeorientierte Dienstleistung verstanden werden kann, ist es unerlässlich, die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit ihrer Angebote zu überprüfen.


Literatur

  • Aselmeier, Laurenz (2003): Supported Living. Offenen Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung in Großbritannien. Siegen: Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen.
  • Aselmeier, Laurenz (2008): Community Care und Menschen mit geistiger Behinderung Gemeinwesenorientierte Unterstützung in England, Schweden und Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Schablon, Kai Uwe (2009): Community Care: Professionell unterstützte Gemeinsweseneinbindung erwachsener geistig behinderter Menschen. Analyse, Definition und theoretische Verortung struktureller und handlungsbezogener Determinanten. Marburg: Lebenshilfe Verlag.
  • Theunissen, Georg (2009): Empowerment und Inklusion behinderter Menschen. Eine Einführung in Heilpädagogik und Soziale Arbeit. Freiburg im Breisgau: Lambertus Verlag, 2. Auflage.